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Sports Viele, die wirklich die geistigen Interessen der Zeit verkörperten.

Sie war die Frau Professor[1] Windals, eines hervorragenden Internisten, des gesuchtesten Arztes des Berliner Westens. Sie hatte ihn geheiratet, wie moderne Mädchen heiraten. Sie liebte ihn nicht überschwenglich. Die Gründe, die sie zu dieser Ehe geführt hatten, waren eine chemische Mischung aus Liebe, aus der Rücksicht auf seine Stellung und sein Einkommen, und vielleicht Sehnsucht, den engen Verhältnissen ihres in der Krise verkrachten Elternhauses zu entrinnen. Sie hatte ihre körperlichen und geistigen Vorzüge klug an den Mann gebracht, der ihr gestattete, den Rang in den ersten Kreisen zu gewinnen, nach dem es sie gelüstete.

Professor Windal hatte sie aus einer tiefen und reifen Leidenschaft geheiratet. Er war sechsundvierzig. Die Überlastung seines Berufes hatte ihn nie gestattet, Gast in den Berliner Salons zu werden. Aus Liebe zu der jungen Frau wurde er Gesellschaftsmensch, wurde er Theaterarzt bei Buchner, wurde er vieles, woran er vierundvierzig Jahre seines Lebens nicht gedacht hatte.

Viola begegnete Bara dreimal hintereinander in verschiedenen Gesellschaften als dem gefeierten Gast. Sie verfiel ihm. Sie wehrte sich noch gegen das Letzte, aber nicht aus Treue gegen Windal, nicht aus ethischen Motiven, sondern weil sie erobert werden wollte. Im Grunde erlag sie, so empört sie auch dieses unmoderne Philisterium bestritten hätte, wie viele Generationen von Frauen vor ihr dem unwiderstehlichen, geheimnisvollen


  1. Vorlage: Professors
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/42&oldid=- (Version vom 31.7.2018)