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eingeschlagen. Er brannte lichterloh, als er in die Boyenstrasse einbog. Ja, Jo Ternitz war die Ersehnte, Zug um Zug, schien ihm jetzt schon, wie sie durch seine Träume gegangen war, die wachen und die echten, Jo Ternitz die ihm heute durch ein Wunder gegeben worden war.

Doch hart im Raume stossen sich die Dinge. Sein Leben war nicht danach gezimmert, plötzlich in eitel Freude und Frohlocken auszuarten. Mitten hinein in den Taumel der Erfüllung schlug der widrige Alltag diesen armen Chorsänger mit erbarmungsloser Faust.

Als Heise den kleinen dunklen Flur betrat, der zu seiner – nur im euphemistischen Sinne „möbliertes Zimmer“ zu benennende Kammer führte, fiel er über ein Hindernis. Der Lärm, den sein Stolpern erweckte, rief die Wirtin, Frau Breitspecht, aus ihrer Küche.

Die Tür dieses wichtigen Raumes öffnete sich, in das Dunkel des Korridors fiel Licht heraus. Jetzt konnte Heise zu seinem Staunen erkennen, dass er über einen Haufen Kleider, Wäsche, Noten, Bücher und ein Köfferchen gestürzt war. Diese Weghemmung schien ihm irgendwie bekannt, ja, bei näherer Betrachtung war er fast überzeugt, dass sein bescheidenes Eigentum, sein gesamtes Hab und Gut, dort auf dem Boden lag.

Ihm blieb keine lange Frist, verwunderte Betrachtungen anzustellen. Frau Breitspecht, eine behäbige, dicke, gutmütige Person, gab rasch und aufschliessend Bescheid.

„Ja, lieber Herr Heise,“ begann sie in schlecht verhehlter Gewissensnot, „Sie dürfen es mir nich verübeln. Jeder is sich schliesslich selbst der nächste, nich wahr?“

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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/58&oldid=- (Version vom 31.7.2018)