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des „Columbus“ war das Theaterereignis dieses unerfreulichen Winters. Eine Auffahrt, wie in den glänzendsten Zeiten des Reiches, Ein gesellschaftliches Fest. Alles, was in Berlin noch Geld, noch Rang, Beziehungen und Ruf hatte, was siegreich hervorgegangen war aus dem Kampf um eine Eintrittskarte, paradierte im Parkett, säumte den Rang, prunkte in den Logen, begeisterte sich im Olymp.

Viola Windal hatte einen Platz in der Fremdenloge erstritten. Sie hatte Beziehungen. Ihr Mann war nicht anwesend, hatte eine wichtige Konsultation, konnte seine Pflicht als Theaterarzt heute ebenso wenig erfüllen, wie an anderen Tagen. Zum Glück war er niemals gebraucht worden. Freilich hatte er sich durch einen Kollegen vertreten lassen.

Wenn Viola ehrlich vor sich war, musste sie sich eingestehen, dass sie an diesem Abend an sich irre wurde. Sie war berauscht von der Stimme Baras wie die letzte entflammte Musikstudentin im fünften Rang. Diesem Tenor konnte kein Frauengemüt widerstehen. Sie jubelte ihm zu mit den tausend Anderen und bedauerte fast ihre Übereilung von gestern und vergass, vergass radikal den Choristen. Sie war gekommen, ihn auf eigne Faust aus der Schar herauszufinden. Wenn er das verkannte Genie war, musste sie ihn sofort erspähen. Dann musste ein Fluidum von ihm ausgehen, das ihr sofort verriet, er ist es.

Aber kaum stiegen die ersten Töne aus Baras Zauberkehle auf, da geriet sie in seinen Bann, vergass alles andere, ihren Groll, ihre Enttäuschung und den Mann aus dem Chor. Nie hatte Bara triumphaler, kaum je so meisterhaft vollendet gesungen. Wieder übersah das fanatisierte

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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/84&oldid=- (Version vom 31.7.2018)