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großartige Wesen des Kindes so wundervoll in seinen Kinderdarstellungen zu gestalten weiß: in seinen Engel- und Puttenwolken und Kinderfriesen, in seinen mütterlich bewahrten und betreuten Kindern, in seinen Kinderbildnissen usf.

Wollte man aber wissen, wo die eigentliche Heimat Thomas liegt, die Heimat, nachdem er das Kinderland seiner Jugend verlassen und in das Leben, in die große Welt des Ringens und Siegens eingetreten ist, so gibt er selbst uns ganz schlicht und treffend die Antwort: „Überall, wo ich gerade war, fand ich es schön.“ – Er fand seine künstlerische und seelische Heimat in seiner einsamen, abgelegenen Bergheimat, in Bernau, wie im maienschönen, silberüberwölkten Paris, im rauhen München, wie im freundlichen Frankfurt, im herrlich klaren Italien und im nebligen England und zuletzt im verantwortungsreichen Karlsruhe, auch wo sonst er immer weilte und schuf, denn überallhin brachte er sein mit der großen Natur in Einklang befindliches Wesen. Überall sah er Schönheit und Harmonie; denn sie waren in ihm. Und deshalb ist seine Kunst so heimatselig, so anmutend und friedvoll; denn sie ist getränkt und erfüllt von dem Weben und Walten seiner Seele, die in sich ruht. Man mag deshalb irgend eine seiner Landschaften vornehmen, immer wird man sofort den nur ihr zukommenden, eigentümlichen Ausdruck und Charakter gewahren: Thoma-Landschaft als Ausdruck einer bestimmten, in sich geschlossenen Persönlichkeit besonderer Art, mag sie nun deutschen, englischen oder italienischen Charakter haben. In Thomas starker Persönlichkeit schmilzt sich das Örtliche ins Allgemeingültige um. Linien, Farben, Raum, Luft und Licht sind mannigfaltig bedingt und bestimmt. Ihre Einheit im Künstlerischen liegt in dem Wesen des Künstlers beschlossen, der immer und jedesmal in einem Werk seine Welt offenbart.

In Thomas irdischer Heimat gilt noch der unbefangene Glaube an über- und außernatürliche Wesen und Kräfte. Das Landvolk sieht sie verkörpert in den frommen Glaubensgestalten

Empfohlene Zitierweise:
Joseph August Beringer (Hrsg.): Der Malerpoet. Delphin-Verlag München, München 1917, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Malerpoet.pdf/16&oldid=- (Version vom 31.7.2018)