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Er überbrückt mit seiner Kunst die zwischen Mensch und Natur entstandene Kluft durch die Liebe, mit der er beide umschlingt, durchdringt und einander entgegenbringt. Thoma ist ein Künder, nicht der Zeit und ihres Kampfes, sondern der Liebesmacht, die aus dem Unendlichen in diese begrenzte Zeitlichkeit strahlt, „den Menschen ein Wohlgefallen, die eines guten Willens sind.“ –

Ohne Einseitigkeit liegen der Kunst Thomas starke Gefühlswerte zugrunde. Sein Leben und Schaffen sind von seiner frühesten Jugend an von den köstlichen Geschenken beherrscht, die das echte Künstlertum ausmachen: Von einem ungemein starken Lebensgefühl, das die Dinge der Umwelt als große und bestimmte Lebenswerte und Lebensmächte wahrnimmt, von einer ebenso klaren, als reinen Anschauungskraft, die das formal und inhaltlich Bedeutsame im Einzelnen wie im Ganzen zu erkennen weiß, sowie von einer auch in den ersten tastenden künstlerischen Versuchen schon wahrnehmbaren Material-Geschicklichkeit, das Stofflich-Technische seiner Leistungen zu bewältigen. Von der rührenden Bleistiftzeichnung, mit der schon der Vierzehnjährige seine Mutter porträtmäßig abbildete, durch die hohe Zeit seiner ungeheuer reichen Schaffensjahre bis in die noch mit jugendlicher Frische und Fülle hervorbringenden Jahre seines Greisenalters hat er alle nur denkbaren Arten der Materialbehandlung und der bildnerischen Technik auf den Gebieten der bildenden Künste ausgeübt.

Aber in diesen mehr nachbildnerischen Eigenschaften ist Thomas Kunst nur in den Grenzbezirken erfaßt. Er hebt durch sein starkes Lebensgefühl, durch die eindringende Kraft und Wärme seines Erlebens seine Darstellung aus der Einzelerscheinung zum allgemein gültigen Typus. Er sättigt jedes seiner Werke mit seinem eigenen, bald geistig weit ausgreifenden, bald gemütvoll ansprechenden, dann wieder innig versenkten oder großartig gehobenen, immer aber ergreifenden und mitreißenden Schwung seelischer Bewegtheit. Das hebt Thomas Werk

Empfohlene Zitierweise:
Joseph August Beringer (Hrsg.): Der Malerpoet. Delphin-Verlag München, München 1917, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Malerpoet.pdf/20&oldid=- (Version vom 31.7.2018)