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aufs anmutigste und bedeutungsvollste. Das macht sie volkstümlich, d. h. verständlich und liebenswert bei Hohen und Niedern, bei wissenden Kennern und naiven Liebhabern, bei Weisheit und Einfalt.

Thoma ist der Meister der Freiheit. Er löste sich und seine Kunst vom Zwange der Regeln und der Richtungen. Er weiß sich im Einklang, in der Harmonie mit der Welt und mit der Gottheit. Sein Wesen ist nicht gebrochen durch den Zwiespalt, der zwischen Natur und Geist seit alten Zeiten sich auftut. Ein Sonntagskind, sieht Thoma die Welt mit den unschuldigen Augen einer reinen Kinderseele, gestaltet er seine Schöpfungen, Bilder und Zeichnungen mit dem Vertrauen und der Harmlosigkeit einer vom reinen Geist der Natur getriebenen Kraft. Er ist ein Werkzeug der Volkskraft, unschuldig und groß, wie diese, und geheimnisvoll in ihrem Ursprung, Walten und Wirken.

Das weiß Thoma. Er hat es selbst ausgesprochen, als bei seinem 70. Geburtstag die Welt mit ihren Ehrungen an ihn herantrat. Damals sagte er in seiner Bescheidenheit, ergriffen und erschüttert von den Eindrücken: „Es würde wie ein Druck auf mir liegen, wenn ich nicht annehmen dürfte, daß dies Fest aus der Freude an der Kunst hervorgegangen ist. So denke ich auch, daß, wenn man mich feiert, es nicht deswegen geschieht, weil ich etwas Neues, unbekannt Fremdes gebracht habe, sondern deshalb, weil ich dem Volke einen Teil von dem erhalten und vielleicht wiedergebracht habe, was es als sein Eigentum empfinden, als sein Eigenes erkennen, verstehen und manchmal auch lieben kann. Ich habe das, was ich geben konnte, aus der Gemeinsamkeit des Volksgefühls schöpfen können, aus dem geistigen Gut, an dem wir alle teilnehmen.“ –

Das Urtümliche, aus den tiefsten Quellgründen des Volkstums aufsteigende Schaffen Thomas würde durch die Einflüsse der akademischen Ausbildungszeit und durch die Einwirkungen des an Arbeit, Suchen, Sammeln und Gestalten reichen Lebens

Empfohlene Zitierweise:
Joseph August Beringer (Hrsg.): Der Malerpoet. Delphin-Verlag München, München 1917, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Malerpoet.pdf/7&oldid=- (Version vom 31.7.2018)