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Der Osage.
Von Fr. Gerstäcker.

Weit, weit im fernen Westen von Missouri, an der Grenze des Osagen-Gebiets, wo nur erst wenige der kühnen Pionniere, die den zurückweichenden oder, besser, zurückgetriebenen Indianern auf dem Fuße folgen, ihre Blockhütten aufgeschlagen hatten und jagten und fischten, und sich dabei ein klein wenig Mais zogen – gerade soviel als sie unumgänglich haben mußten, um nicht ohne Brod zu sein; da, wo sogar jetzt noch der Elk oder Riesenhirsch seine Fährten dem fetten Boden der Flußthäler eindrückt oder die weite, endlose Prairie durchstreift, zog eines Morgens ein weißer Jäger, die Büchse auf der Schulter, das Messer an der Seite, in der gewöhnlichen Tracht der „Hinterwäldler“, nur mit Schuhen anstatt Moccasins an den Füßen und mit einer grauen, runden Filzmütze auf dem Kopfe, leise und vorsichtig durch den dichten Wald, der sich hier und da in kleinen offenen Stellen lichtete und die Aussicht auf schmale, mit hohem Gras bewachsene Prairien oder Steppen gewährte.

Es war ein wunderlieblicher Maimorgen, wohl noch etwas frisch, die Sonne aber, die schon über die Baumwipfel herüberschaute, meinte es gut, sandte ihre warmen Strahlen durch das dichte Laubwerk der Bäume und trocknete den Thau, der in schweren, großen Tropfen an den Grashalmen hing.

Der Jäger war schon den ganzen Morgen umhergestrichen; aber obgleich er mehrere Hirsche in dem thauigen Gras gespürt und ihren Fährten eine Zeitlang gefolgt war, obgleich er selbst ein Paar prächtige Böcke, mit schon recht stattlichen Ansätzen von Geweihen, gesehen hatte, war ihm doch noch keiner zum Schuß gekommen und vergebens strengte er seine Augen an, schaute er scharf und forschend umher, ja kroch er selbst mehr als er ging über das feuchte Laub hinweg, es wollte Nichts seinen Pfad kreuzen und unmuthig setzte er sich auf einen umgefallenen Baumstamm nieder, um ein wenig auszuruhen und seine Jagd dann in einer Richtung nach Hause zu fortzusetzen, als er in weiter Entfernung einen Schuß hörte. –

Er lauschte lange und aufmerksam, konnte aber Nichts weiter wahrnehmen und lehnte sich nachlässig an die Aeste des Stammes, auf dem er saß, hinausschauend auf einen langen schmalen Steppenstreifen, der sich weit hinein in die dunkele Waldung dehnte und von weißblumigen „Dogwoods“-Bäumen und schlanken, hoch über dieselben hinausragenden Eichen eingefaßt war.

Kaum aber zehn Minuten mochte er so gelegen und die liebliche Landschaft betrachtet haben, als da, wo sich der Wald zu vereinigen schien und die Prairie umschloß, ein Hirsch aus dem Dickicht brach und gerade vollen Laufes auf ihn zu kam.

Schnell sprang er empor und machte sich fertig, seine Beute in Empfang zu nehmen, die, wie es schien, sorglos angesetzt kam; als sich der Bock, denn ein solcher

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Friedrich Gerstäcker: Der Osage. Baumgärtner, Leipzig 1844, Seite 409. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Osage-Gerstaecker-1844.djvu/1&oldid=- (Version vom 31.7.2018)