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war es, aber näherte, erblickte das geübte Auge des Jägers bald, daß er nicht mehr ganz gesund, sondern angeschossen sei und das Langsame seiner Bewegung nicht von einem Gefühle der Sicherheit, sondern der Mattigkeit herrühre.

Nichtsdestoweniger blieb er im Anschlag liegen, und als sich ihm das verwundete Thier auf etwa sechszig Schritte genähert hatte, pfiff er es an. –

Es stutzte – hielt – und brach im nächsten Augenblick, von der sichern Kugel getroffen, klagend zusammen.

Ruhig blieb er auf seinem Standpunkt stehen, lud wieder und trat dann zu dem Gefallenen, um ihn abzustreifen, als er durch die Prairie einen Indianer mit einem andern geschossenen jungen Hirsch auf den Schultern in vollem Laufe, der Fährte des verwundeten Thieres folgend, ankommen sah. In einem kurzen Trab, kaum, wie es schien, die Last achtend, die er trug, näherte er sich, warf, als er den Erlegten erblickte, schnell seine Beute von den Schultern und begann, ohne auch nur im Geringsten den weißen Jäger zu beachten, den Hirsch von seiner Haut zu befreien.

„Aber, lieber Freund,“ sagte der Abkömmling der Europäer, „es scheint Euch sehr gleichgiltig zu sein, wer den Hirsch geschossen hat, so Ihr nur die Haut bekommt, nicht so? Ich sollte doch denken, daß ich auch einiges Recht dazu hätte, denn ohne mein Stück Blei möchten Eure Finger wohl schwerlich von seinem Blute roth geworden sein!“

„Hierher gucken!“ sagte der rothe Sohn der Wälder, auf die Keule zeugend, in der vier kleine Wunden, von Rehposten herrührend, sichtbar waren, und ohne sich im Mindesten in seiner Arbeit stören zu lassen. – „Mir!“ fuhr er dann in seinem gebrochnen Englisch fort, indem er sich mit dem Stiel seines Scalpirmessers auf die Brust klopfte – „mir erst geschossen – nachher weißes Gesicht – mir Haut – weißes Gesicht Fleisch,“ und mit bewundernswürdiger Schnelle beendete er sein Geschäft des Abstreifens, während der Weiße dabei stand und nicht übel Lust zu haben schien, dem wilden Gesellen mit Büchsenkolben oder Messer bessere Sitte zu lehren; doch dieser behielt ihn von der Seite immer scharf im Auge und beobachtete, wohl solchen Vorsatz vermuthend, jede seiner Bewegungen. Er war kräftig und stark gebaut und die Farben, mit denen er bemalt, der Schmuck, mit dem er behangen war, kündete den Krieger an, den manche ehrenvolle Narbe über Brust und Schultern, als ihm die wollene Decke bei der Arbeit herunterrutschte, gerade als keinen Feigling bezeichnete.

Endlich war er fertig, zog seine Decke wieder über die Achseln, hing das eben abgestreifte Fell um, hob sich auf dasselbe noch den erstgeschossenen Hirsch, ergriff dann sein Schrotgewehr und dem Weißen ein flüchtiges „Good bye“ zurufend, schritt er schnell und, wie es schien, nicht im Mindesten durch seine Bürde belästigt, dem Dickicht zu, in dem er wenige Minuten darauf verschwand.

Halb lachend, halb ärgerlich sah ihm der Weiße noch eine Zeitlang nach, dann aber war es, als ob der Zorn für einen Augenblick die Oberhand gewinnen wollte; er stampfte heftig mit dem Fuß auf den Boden und machte eine Bewegung, dem Indianer in vielleicht keiner ganz freundlichen Absicht zu folgen, doch mochte er sich wohl eines Besseren besinnen, blieb stehen, sah eine kurze Zeit vor sich nieder auf den abgestreiften Hirsch und brach dann in ein helles Gelächter aus. „Hol’ ihn der Böse,“ rief er endlich, als er sein Messer aus dem Gürtel nahm und neben dem Wildpret niederkniete, „größere Unverschämtheit ist mir in meinem Leben noch nicht vorgekommen – kühles Blut – ächt Indianisch! Aber lass’ ihn zum Henker gehen, er hat mir doch das Fleisch gelassen; ist übrigens sehr ungewiß, ob ich das hier hätte, wenn ihm das andere nicht schon Mühe genug machte.“

Während er die letzten Worte so vor sich hin in den Bart murmelte, trennte er die Keulen und den Rücken vom Vordertheil, stand dann auf und ging zu einem jungen Hickory (weißer Wallnuß), von dem er einen Streifen Rinde abschälte, sich das Fleisch damit umzuhängen.

„So,“ fuhr er dann in seinem Selbstgespräch fort, als er seine Büchse schulterte und dieselbe Richtung einschlug, die der Indianer genommen hatte, „so, da habe ich doch wenigstens ein Stück Fleisch und komme nicht leer nach Hause; der Onkel wird aber schön lachen, wenn ich die Haut nicht mitbringe. – Verdamm’ den Burschen! ich wollte doch, ich hätte ihn nicht so sehr bereitwillig fortgelassen! – Nun – er läuft mir wieder ein Mal über den Weg,“ und noch lange vor sich hin brummend zog er dem Hause seines Onkels zu. –

Dieser, ein alter freundliche Jankee, der vor etwa fünf Jahren von Connecticut nach St. Louis gekommen war und sich erst seit etwa 10 Monaten so weit

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Friedrich Gerstäcker: Der Osage. Baumgärtner, Leipzig 1844, Seite 410. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Osage-Gerstaecker-1844.djvu/2&oldid=- (Version vom 31.7.2018)