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begrüße sonst jedes Unternehmen mit Freuden, was uns geistig, sittlich, wirtschaftlich von dem ganz unberechtigten Übergewicht der Fremdlinge zu befreien dient.“ Mit diesen Worten versichert der H. Pfarrer nochmals ausdrücklich, daß der Ritualmord nicht zu beweisen ist, obwohl er ihn frischweg behauptet, verrät uns aber auch zugleich, welche Absicht der Umfrage über den Blutmord zu Grunde liegt. Mittels des Ritualmords oder Blutmords sollen nämlich die Juden in Deutschland bürgerlich tot gemacht, oder, wie andere Gutachten es offen aussprechen, aus dem Deutschen Reiche vertrieben werden. Und darum thut es dem antisemitischen Pfarrersherzen leid, das Geständnis ablegen zu müssen, daß der jüdische Ritualmord nicht zu beweisen ist, und daß man infolgedessen sich von den Juden nicht mittels der Ritualmord-Anklage befreien kann.

Als zweiter Leidtragender folgt Pastor Zeller von Weichau, der das wehmütige Bekenntnis ablegt, daß er aus dem Talmud den Ritualmord wissenschaftlich nicht begründen könne. In den heiligen Schriften des Alten Testaments findet zwar der H. Pastor, daß Menschenopfer oftmals dargebracht wurden, obschon sie durch das Gesetz auf das entschiedenste verworfen werden; er hat auch die tapfere Witwe Judith und die schöne Esther im Verdacht, daß sie Menschenopfer dargebracht haben, indem erstere den Antisemiten Holopherenes abschlachtete und die andere die Veranlassung dazu gab, daß der Antisemit Aman am Galgen sterben mußte, aber in späterer Zeit scheint ihm das Menschenopfer ganz verschwunden zu sein. Wenn er jedoch sieht, wie in der römisch-katholischen Kirche die Opfertheorie wieder vollständig durchgebrochen ist, wenn er den Totenkult bei den evangelischen Christen und außerhalb der Kirche die spiritistische Bewegung sieht, so ergiebt sich ihm die Möglichkeit, daß es auch in jüdischen Kreisen einen Blutritus sehr wohl geben kann. Trotzdem würde er dem Verdachte keinen Raum geben, wenn er nicht sehen müßte, wie das Verhalten des Judentums, besonders in Xanten und Konitz, unverkennbar darauf hindeutet, daß gemeinsame jüdische Interessen im Spiele sind. Das Unrecht und den Aberglauben einzelner Juden, sagt er, würde das gesamte Judentum totschweigen, schwerlich so in Schutz nehmen. – Ja, das würden die Juden schwerlich oder auch gar nicht thun, wenn sie nicht wüßten, wie gerade die Christen bei der Erhebung der Anklage wegen Ritualmords das ganze Judenvolk verdächtigen, und wenn

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/51&oldid=- (Version vom 31.7.2018)