Seite:Der Sieg über die Branntweinpest in Oberschlesien-Lorinser-1845.pdf/29

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wurde in jedem Kirchspiel einige Sonntage nacheinander, hier und da auch an Werktagen, über das Laster der Trunkenheit gepredigt, und zulezt das Volk aufgefordert, durch ein feierliches Versprechen vor dem Altar dem Genuß des Branntweins zu entsagen. Jeder Gelobende wurde mit einem gedruckten Zettel entlassen, welcher außer dem Bildchen der Madonna und einem mysteriösen Titel, in dem die Worte „Mariä Lichtmeß“ vorkamen, das mit dem Namen des Mitgliedes versehene Gelöbnißformular, so wie einige passende Bibelstellen und kräftige Sittensprüche enthielt. Die ersten Versuche fielen so günstig aus, daß immer mehrere Pfarrer und Capelläne, natürlich im Einverständniß und mit Beihülfe der Kreis- und Ortsbehörden, sich bestrebten, auf dieselbe Weise dem Laster der Trunksucht entgegenzuwirken. So entstand ein Wetteifer, der, immer weiter um sich greifend, nach wenigen Monaten dahin führte, daß ein Betrunkener fast nirgend mehr zu sehen war. Es wäre jedoch ein großer Irrthum, wollte man eine so merkwürdige Veränderung allein dem katholischen Klerus vindiciren. Der Trieb zur Nachahmung, der immer um so stärker hervortritt, je niedriger die Stufe der Intelligenz und Bildung ist, auf welcher ein Volk stehen geblieben, hat dabei wesentlich mitgewirkt. Die Geistlichen haben durch Verheißung des ewigen Lebens und Androhung des höllischen Feuers diesen Trieb zu verstärken und die abergläubischen Menschen noch mehr zu bewegen gewußt. Die Trunksucht war überdies zum Extrem