Seite:Der Sieg über die Branntweinpest in Oberschlesien-Lorinser-1845.pdf/82

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Wissens an der Enthaltsamkeit gestorben. – Viel heftiger und schwerer als diese körperlichen Affectionen waren die Kämpfe und Versuchungen der Seele, bei welchen Viele eine wahre Feuerprobe zu bestehen hatten. Keiner vielleicht ist so hart versucht worden, als ein alter Trunkenbold in D. Piekar, der den Branntwein nicht mehr aus Gläsern, sondern aus einem großen Kruge zu trinken pflegte, welchen er täglich wenigstens dreimal füllen ließ. Sein Angesicht war durch die fortwährende Umneblung aus widerwärtige Weise entstellt, die Augen quollen stier und gläsern aus dem Kopfe hervor, sein Athem war wie Feuerflammen; zur Arbeit war er fast untüchtig, obgleich er die Besinnung nie völlig verlor. Nachdem dieser Mensch sein Gelübde gethan, zu welchem er sich rasch und aufrichtig entschlossen, wurde er von stärkerem Zittern als jemals, und bald auch von so brennender Begierde zum Branntweintrinken befallen, als ob ihn eine unwiderstehliche Gewalt in die Schänke fortreißen wollte. Mehrmal auf dem Wege dahin, kehrte er doch jedesmal wieder um. Am achten Tage wurde der Drang so heftig, daß der Arme bereits auf der Schwelle des Wirthshauses stand. Auch diesmal gewann er den Sieg über sich selbst, und am neunten Tage war er von jeder Versuchung befreit und zugleich von seinem Zittern vollständig geheilt. Der tapfere Streiter ist jezt ein glücklicher Mensch geworden; sein ganzes Aussehen hat sich veredelt, mit der Gesundheit ist auch die äußere Lage gebessert,