Seite:Der Stechlin (Fontane) 106.jpg

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zehn Minuten. Wenn es Ihnen recht ist, bleiben wir noch in Gottes freier Natur. Woldemar, führe meine liebe Freundin, oder lieber Sie, Herr Hauptmann, – Fräulein von Schmargendorf wird ohnehin Ihre Tischdame sein.“

     Das Fräulein von Schmargendorf war klein und rundlich, einige vierzig Jahre alt, von kurzem Hals und wenig Taille. Von den sieben Schönheiten, über die jede Evastochter Verfügung haben soll, hatte sie, soweit sich ihr „Kredit“ feststellen ließ, nur die Büste. Sie war sich dessen denn auch bewußt und trug immer dunkle Tuchkleider, mit einem Sammetbesatz oberhalb der Taille. Dieser Besatz bestand aus drei Dreiecken, deren Spitze nach unten lief. Sie war immer fidel, zunächst aus glücklicher Naturanlage, dann aber auch, weil sie mal gehört hatte: Fidelität erhalte jung. Ihr lag daran, jung zu sein, obwohl sie keinen rechten Nutzen mehr daraus ziehen konnte. Benachbarte Adlige gab es nicht, der Pastor war natürlich verheiratet und Fix auch. Und weiter nach unten ging es nicht.

     Adelheid und Rex waren meist weit voraus, so daß man sich immer erst an der Glaskugel traf, wenn das voranschreitende Paar schon wieder auf dem Rückwege war. Czako grüßte dann jedesmal militärisch zur Domina hinüber.

     Diese selbst war in einem Gespräch mit Rex fest engagiert und verhandelte mit ihm über ein bedrohliches Wachsen des Sektiererwesens. Rex fühlte sich davon getroffen, da er selbst auf dem Punkte stand, Irvingianer zu werden; er war aber Lebemann genug, um sich schnell zurecht zu finden und vor allem auf jede nachhaltige Bekämpfung der von Adelheid geäußerten Ansichten zu verzichten. Er lenkte geschickt in das Gebiet des allgemeinen Unglaubens ein, dabei sofort einer vollen Zustimmung begegnend. Ja, die Domina ging

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin 1899, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_106.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)