Seite:Der Stechlin (Fontane) 115.jpg

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will, ein großartiger Gegensatz von hüben und drüben; es giebt nichts Diesseitigeres als Brust, und es giebt nichts Jenseitigeres als Flügel. Der Flügel trägt uns, erhebt uns. Und deshalb, trotz aller nach der andern Seite hin liegenden Verlockung, möchte ich alles, was Flügel heißt, doch höher stellen.“

     Er hatte dies in einem möglichst gedämpften Tone gesprochen. Aber es war nicht nötig, weil einerseits die links ihm zunächst sitzende Triglaff aus purem Hochgefühl ihr Ohr gegen alles, was gesprochen wurde, verschloß, während andrerseits die Domina, nachdem der Diener allerlei kleine Spitzgläser herumgereicht hatte, ganz ersichtlich mit einer Ansprache beschäftigt war.

     „Lassen Sie mich Ihnen noch einmal aussprechen,“ sagte sie, während sie sich halb erhob, „wie glücklich es mich macht, Sie in meinem Kloster begrüßen zu können. Herr von Rex, Herr von Czako, Ihr Wohl.“

     Man stieß an. Rex dankte unmittelbar und sprach, als man sich wieder gesetzt hatte, seine Bewunderung über den schönen Wein aus. „Ich vermute Montefiascone.“

     »Vornehmer, Herr von Rex,“ sagte Adelheid in guter Stimmung, „eine Rangstufe höher. Nicht Montefiascone, den wir allerdings unter meiner Amtsvorgängerin auch hier im Keller hatten, sondern Lacrimae Christi. Mein Bruder, der alles bemängelt, meinte freilich, als ich ihm vor einiger Zeit davon vorsetzte, das passe nicht, das sei Begräbniswein, höchstens Wein für Einsegnungen, aber nicht für heitere Zusammenkünfte.“

     „Ein Wort von eigenartiger Bedeutung, darin ich Ihren Herrn Bruder durchaus wiedererkenne.“

     „Gewiß, Herr von Rex. Und ich bin mir bewußt, daß uns der Name gerade dieses Weines allerlei Rücksichten auferlegt. Aber wenn Sie sich vergegenwärtigen

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: , 1899, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_115.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)