Seite:Der Stechlin (Fontane) 141.jpg

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gearbeitet, hatte sie, seit es zu dunkeln begann, aus der Hand gelegt und spielte statt dessen mit einem Ballbecher, zu dem sie regelmäßig griff, wenn es galt, leere Minuten auszufüllen. Sie spielte das Spiel sehr geschickt, und es gab immer einen kleinen hellen Schlag, wenn der Ball in den Becher fiel. Melusine stand draußen auf dem Balkon, die Hand an die Stirn gelegt, um sich gegen die Blendung der untergehenden Sonne zu schützen.

     „Armgard,“ rief sie in das Zimmer hinein, „komm; die Sonne geht eben unter!“

     „Laß. Ich sehe hier lieber in den Kamin. Und ich habe auch schon zwölfmal gefangen.“

     „Wen?“

     „Nun natürlich den Ball.“

     „Ich glaube, du fingst lieber wen anders. Und wenn ich dich so dasitzen sehe, so kommt es mir fast vor, als dächtest du selber auch so was. Du sitzt so märchenhaft da.“

     „Ach, du denkst immer nur an Märchen und glaubst, weil du Melusine heißt, du hast so was wie eine Verpflichtung dazu.“

     „Kann sein. Aber vor allem glaub’ ich, daß ich es getroffen habe. Weißt du, was?“

     „Nun?“

     „Ich kann es so leicht nicht sagen. Du sitzt zu weit ab.“

     „Dann komm und sag es mir ins Ohr.“

     „Das ist zu viel verlangt. Denn erstens bin ich die ältere, und zweitens bist du’s, die was von mir will. Aber ich will es so genau nicht nehmen.“

     Und dabei ging Melusine vom Balkon her auf die Schwester zu, nahm ihr das Fangspiel fort und sagte, während sie ihr die Hand auf die Stirn legte: „Du bist verliebt.“

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_141.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)