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Brot. Sie maltraitieren ihren Mann und sprechen dabei von Liebe, sie werden maltraitiert und sprechen erst recht von Liebe; sie sehen alles so, wie sie’s sehen wollen und vor allem haben sie ein Talent, sich mit Tugenden auszurüsten (erlassen Sie mir, diese Tugenden aufzuzählen), die sie durchaus nicht besitzen. Unter diesen meist nur in der Vorstellung existierenden Tugenden befindet sich auch die der Gastlichkeit, wenigstens hierlandes. Und nun gar unsre Pfarrmütter! Eine jede hält sich für die heilige Elisabeth mit den bekannten Broten im Korb. Haben Sie übrigens das Bild auf der Wartburg gesehen? Unter allen Schwindschen Sachen steht es mir so ziemlich obenan. Und in Wahrheit, um auf unsere Pfarrmütter zurückzukommen, liegt es doch so, daß ich mich bei pastorlichen Junggesellen immer am besten aufgehoben gefühlt habe.“

     Lorenzen lachte: „Wenn Sie nur heute nicht widerlegt werden, Herr Superintendent.“

     „Ganz undenkbar, lieber Lorenzen. Ich bin noch nicht lang in dieser Gegend, in meinem guten Quaden-Hennersdorf da drüben, aber wenn auch nicht lange, so doch lange genug, um zu wissen, wie’s hier herum aussieht. Und Ihr Renommee… Sie sollen so was von einem Feinschmecker an sich haben. Kann ich mir übrigens denken. Sie sind Ästhetikus, und das ist man nicht ungestraft, am wenigsten in Bezug auf die Zunge. Ja, das Ästhetische. Für manchen ist es ein Unglück. Ich weiß davon. Das Haus hier vor uns ist wohl Ihr Schulhaus? Weißgestrichen und kein Fetzchen Gardine, das ist immer ’ne preußische Schule. So wird bei uns die Volksseele für das, was schön ist, groß gezogen. Aber es kommt auch was dabei heraus! Mitunter wundert’s mich nur, daß sie die Bauten aus der Zeit Friedrich Wilhelms I. nicht besser konservieren. Eigentlich war das doch das Ideal. Graue Wand, hundert Löcher drin

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_219.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)