Seite:Der Stechlin (Fontane) 221.jpg

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„Ah, gratuliere, Lorenzen. Kreuzabnahme; Rubens. Das ist ja ein wunderschöner Stich. Oder eigentlich Aquatinta. Dergleichen wird hier wohl im siebenmeiligen Umkreis nicht oft betroffen werden, nicht einmal in dem etwas heraufgepufften Rheinsberg; in Rheinsberg war man für Watteausche Reifrockdamen auf einer Schaukel, aber nicht für Kreuzabnahmen und dergleichen. Und stammt auch sicher nicht aus dem sogenannten Schloß Ihres liebenswürdigen alten Herrn drüben, Riesenkathe mit Glaskugel davor. Ach, wenn ich diese Glaskugeln sehe. Und daneben das hier! Wissen Sie, Lorenzen, das Bild hier ruft mir eine schöne Stunde meines Lebens zurück, einen Reisetag, wo ich mit Großfürstin Wera vom Haag aus in Antwerpen war. Da sah ich das Bild in der Kathedrale. Waren Sie da?“

     Lorenzen verneinte.

     „Das wäre was für Sie. Dieser Rubens im Original, in seiner Farbenallgewalt. Es heißt immer, daß er nur Flamänderinnen hätte malen können. Nun, das wäre wohl auch noch nicht das Schlimmste gewesen. Aber er konnte mehr. Sehen Sie den Christus. Wohl jedem, der draußen war, und zu dem die Welt mal in andern Zungen redete! Hier blüht der Bilderbogen, Türke links, Russe rechts. Ach, Lorenzen, es ist traurig, hier versauern zu müssen.“

     Als er so gesprochen, ließ er sich, vor sich hinstarrend, in die Sofa-Ecke nieder, ganz wie in andre Zeiten verloren, und sah erst wieder auf, als ein junges Ding ins Zimmer trat, groß und schlank und blond, und dem Pastor verlegen und errötend etwas zuflüsterte.

     „Meine gute Frau Kulicke,“ sagte Lorenzen, „läßt eben fragen, ob wir unsern Imbiß im Nebenzimmer nehmen wollen? Ich möchte beinahe glauben, es ist das beste, wir bleiben hier. Es heißt zwar, ein Eßzimmer müsse kalt sein. Nun, das hätten wir nebenan.

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_221.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)