Seite:Der Stechlin (Fontane) 257.jpg

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     „Geht nicht. Berührt is berührt.“

     „Mit nichten, Herr von Molchow. Die hohe Priesterschaft wurde herangezogen und hielt, wie man hier vielleicht sagen würde, einen Synod, in dem man sich mit der Frage der Entsühnung oder, was dasselbe sagen will, mit der Frage der Wiederherstellung der Virginität beschäftigte. Man kam überein (oder fand es auch vielleicht in alten Büchern), daß sie in Blut gebadet werden müsse.“

     „Brrr.“

     „Und zu diesem Behufe wurde sie bald danach in eine Tempelhalle geführt, drin zwei mächtige Wannen standen, eine von rotem Porphyr und eine von weißem Marmor, und zwischen diesen Wannen, auf einer Art Treppe, stand die Prinzessin selbst. Und nun wurden drei weiße Büffel in die Tempelhalle gebracht, und der hohe Priester trennte mit einem Schnitt jedem der drei das Haupt vom Rumpf und ließ das Blut in die daneben stehende Porphyrwanne fließen. Und jetzt war das Bad bereitet, und die Prinzessin, nachdem siamesische Jungfrauen sie entkleidet hatten, stieg in das Büffelblut hinab, und der Hohepriester nahm ein heiliges Gefäß und schöpfte damit und goß es aus über die Prinzessin.“

     „Eine starke Geschichte; bei Tisch hätt’ ich mehrere Gänge passieren lassen. Ich find’ es doch entschieden zu viel.“

     „Ich nicht,“ sagte der alte Zühlen, der sich inzwischen eingefunden und seit ein paar Minuten mit zugehört hatte. „Was heißt zu viel oder zu stark? Stark ist es, so viel geb’ ich zu; aber nicht zu stark. Daß es stark ist, das ist ja eben der Witz von der Sache. Wenn die Prinzessin bloß einen Leberfleck gehabt hätte, so fänd’ ich es ohne weiteres zu stark; es muß immer ein richtiges Verhältnis da sein zwischen Mittel und Zweck. Ein Leberfleck ist gar nichts. Aber bedenken Sie, ’ne richtige

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_257.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)