Seite:Der Stechlin (Fontane) 283.jpg

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     „Ei,“ sagte Melusine. „So bin ich zum Erzählen noch mein Lebtag nicht aufgefordert worden. Nun wirst du sprechen müssen, Armgard.“

     „Und ich will auch, selbst auf die Gefahr hin einer Niederlage.“

     „Keine Vorreden, Armgard. Am wenigsten, wenn sie wie Selbstlob klingen.“

     „Also wir hatten damals eine alte Person im Hause, die schon bei Melusine Kindermuhme gewesen war, und hieß Susan. Ich liebte sie sehr, denn sie hatte wie die meisten Irischen etwas ungemein Heiteres und Gütiges. Ich ging viel mit ihr im Hydepark spazieren, wohnten wir doch in der an seiner Nordseite sich hinziehenden großen Straße. Hydepark erschien mir immer sehr schön. Aber weil es tagaus tagein dasselbe war, wollt’ ich doch gern einmal was andres sehen, worauf Susan auch gleich einging, trotzdem es ihr eigentlich verboten war. ‚Ei freilich, Comtesse,‘ sagte sie, ‚da wollen wir nach Martins le Grand.‘ ‚Was ist das?‘ fragte ich; aber statt aller Antwort gab sie mir nur ein kleines Mäntelchen um, denn es war schon Spätherbst, so etwa wie jetzt, und dunkelte auch schon. Aus dem, was dann kam, muß ich annehmen, daß es um die fünfte Stunde war. Und so brachen wir denn auf, unsre Straße hinunter, und weil an dem Parkgitter entlang lauter große Röhren gelegt waren, um hier neu zu kanalisieren, so sprang ich auf die Röhren hinauf, und Susan hielt mich an meinem linken Zeigefinger. So gingen wir, ich immer auf den Röhren oben, bis wir an eine Stelle kamen, wo der Park aufhörte. Hier war gerad’ ein Droschkenstand, und Hafer und Häcksel lagen umher und zahllose Sperlinge dazwischen. In der Mitte von dem allem aber stand ein eiserner Brunnen. Auf den wies Susan hin und sagte: ‚Look at it, dear Armgard. There stood Tyburn-Gallows.‘ Und wer

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_283.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)