Seite:Der Stechlin (Fontane) 302.jpg

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Vorliebe für solch vierhändiges Spiel Ausdruck zu geben, was Wrschowitz, dessen Künstlerüberheblichkeit keine Grenzen kannte, zu der ruhig lächelnden Gegenbemerkung veranlaßte, daß man dieser Auffassung bei Dilettanten sehr häufig begegne. Der alte Graf, wenig befriedigt von dieser „Krittikk“, war doch andrerseits viel zu vertraut mit Künstlerallüren im allgemeinen und mit den Wrschowitzschen im besonderen, um sich ernstlich über solche Worte zu verwundern. Er begnügte sich vielmehr mit einer gemessenen Verbeugung gegen den Musikdoktor und zog, auf einer nebenstehenden Causeuse Platz nehmend, die gute Frau von Berchtesgaden ins Gespräch, von der er wußte, daß ihre Munterkeiten nie den Charakter „goldener Rücksichtslosigkeiten“ annahmen.

     Wrschowitz seinerseits war an dem aufgeklappten Flügel stehen geblieben, ohne jede Spur von Verlegenheit, so daß ein Sichkümmern um ihn eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Trotzdem hielt es Czako für angezeigt, sich seiner anzunehmen und dabei die herkömmliche Frage zu thun „ob er, der Herr Dr. Wrschowitz, sich schon in Berlin eingelebt habe?“

     „Hab’ ich,“ sagte Wrschowitz kurz.

     „Und beklagen es nicht, Ihr Zelt unter uns aufgeschlagen zu haben?“

     „Au contraire. Berlin eine schöne Stadt, eine serr gutte Stadt. Eine serr gutte Stadt pour moi en particulier et pour les étrangers en général. Eine serr gutte Stadt, weil es hat Musikk und weil es hat Krittikk.“

     „Ich bin beglückt, Dr. Wrschowitz, speziell aus Ihrem Munde so viel Gutes über unsre Stadt zu hören. Im allgemeinen ist die slavische, besonders die tschechische Welt…“

     „O, die tschechische Welt. Vanitas vanitatum.

     „Es ist sehr selten, in nationalen Fragen einem so freien Drüberstehn zu begegnen… Aber wenn es Ihnen

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_302.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)