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Aus Kellerspelunken drangen Lärm, Bratendunst und mißtönende Musik zerkratzter Grammophonplatten hervor …

Hier in dieser Straße des Stadtteils Schöneberg (ein Hohn dieser Name!) schloß Alexander Wangorow eine Haustür auf, schaltete seine Taschenlampe ein und führte Gertrud bis in den dritten Hof – wie in ein Zuchthaus …

Erklomm im Seitenflügel drei Treppen … Treppen, deren Linoleumbelag in Fetzen zertreten war … Treppen, über denen der Dunst der Armut klebte …

Und dann eine Flurtür … Zerlöchert von den Nägeln und Schrauben für die Namenschilder all derer, die einst hier gehaust hatten … Überzogen mit einer Schmutzpatina … Seit Jahren nicht gescheuert …

Ein Pappstück daran mit dem Namen Schmidt …

Nur „Schmidt“ …

Kein Vorname … Nur „Schmidt“ … Nichts besagte das … nichts …

Dann ein kahler Flur … Drei Türen … Eine Einzimmerwohnung … Eine Tür mit Milchglasscheiben … Die öffnete Fürst Wangorow ganz leise …

Eine Küche …

Küchengestank …

Auf dem Herde ungesäubertes Geschirr …

Neben dem Herde ein eisernes Kinderbett … Darin auf bunten Kissen von zweifelhafter Sauberkeit der aschblonde Kopf eines etwa siebenjährigen Mädchens …

Der Fürst hielt die Taschenlampe dicht an den Hals des schlafenden Kindes …

Auf der linken Halsseite ein Muttermal – ein braunes Fleckchen wie ein Kreuz … –

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Stein der Wangorows. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1926, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stein_der_Wangorows.pdf/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)