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Literatur als Beherrscher der Geister und als Urbild der Weisheit gilt, daß sein Siegelring der Talisman der Zauberei für die arabischen Dichter ist, beweisen die Märchen aus Tausend und eine Nacht zu Genüge.

Eine arabische Sage berichtet nun, daß ein Baumeister namens Joreb, gebürtig aus Galiläa, dem König Salomo seine Dienste für den Bau des neuen Tempels angeboten habe, aber abgewiesen wurde, da der mächtige Herrscher leider Fremden weit mehr zutraute als seinen Landeskindern. Diese Vorliebe für alles, was von außerhalb der Landesgrenze kam, wurde dem König sehr verdacht. Ebenso aber wurden auch viele heimliche Klagen laut über die harte Fronarbeit, die das Volk bei den öffentlichen Bauten leisten mußte. So fand sich denn bald unter Jorebs Führung eine Menge von Unzufriedenen zusammen, die die alte Heimat verlassen und anderswo eine mächtige, neue Kolonie gründen wollten.

Gegen tausend Menschen, Männer, Weiber und Kinder, vereinigten sich heimlich zu einer großen Karawane und zogen nach Osten zu in das Unbekannte und Ungewisse hinaus. Als Salomo hiervon hörte, soll er seinen Geistern befohlen haben, die Auswanderer an einen Ort zu locken, wo eine durch Zaubersprüche geschaffene fruchtbare Gegend sie zur Niederlassung verleiten sollte und ihnen hier zwanzig Jahre lang Ruhe zu gönnen, ja, das Gedeihen der Ansiedlung sogar zu fördern und dann plötzlich nach Ablauf dieser Zeit jenes Land zurückzuverwandeln in eine öde Wüstenei, in der es kein Wasser, keinen Baum, keinen grünen Halm gab.

So geschah es auch. Als die Kolonisten, die in Arabien irgendwo ein Paradies entdeckt zu haben glaubten, eines Morgens erwachten, stand die junge Stadt mitten in einer kahlen Sandwüste; die Felder, die Palmen- und Olivenhaine, der rauschende Fluß, die fruchtbaren Wiesen, die schattigen Wälder, die murmelnden Quellen waren verschwunden.

Da erkannten die Flüchtlinge, wie der große König von Israel sie gestraft hatte. Tiefe Verzweifelung bemächtigte sich aller. Das Vieh starb dahin, Seuchen rafften die Menschen schnell hinweg. Und eines anderen

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W. Belka: Der Tempel Salomonis. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1916, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Tempel_Salomonis.pdf/14&oldid=- (Version vom 31.7.2018)