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Der Konsul schließt seinen Bericht mit der Bemerkung, daß „ein Hilfswerk voraussichtlich unnötig sein wird, da alle überlebenden Männer getötet werden und die noch verbleibenden Frauen und Kinder gezwungen sein werden, den Islam anzunehmen.“

Geld, das von Erzerum und Erzingjan für die Deportierten an die Adresse der Amerikaner von Kharput gesandt wurde, wurde vom Postamt nicht ausgezahlt.

Ein amerikanischer Missionar aus Kharput schreibt:

„Obwohl ich den Verlust von Hunderten von Freunden beklage, will ich doch versuchen, für einige Augenblicke meinen tiefen Schmerz zurückzudrängen, um mit wenigen Worten die große Not zu beschreiben, die ich zu meinem tiefen Leidwesen weder verhindem noch lindern konnte. Vielleicht kann ich durch mein Schreiben dazu mitwirken, daß Mittel und Wege gefunden werden, um den kleinen Überrest zu erhalten.

Das amerikanische Kollege in Kharput hat die folgenden Verluste zu verzeichnen:

Von unseren Gebäuden befinden sich sieben in den Händen der Regierung; eines von diesen wird von Gendarmen bewohnt, die andern stehen leer. Die Verluste an Habe, Gut und Menschenleben kann ich nicht genau angeben. Manches ist geraubt, anderes zerstört und verschüttet, so daß wir kaum hoffen können, das Verlorene je wieder in unseren Besitz zu bringen.

Vom Euphrat-Kollege (dies ist der Name des amerikanischen Kollege in Kharput) sind die Mehrzahl unserer Schüler und Schülerinnen, etwa zwei Drittel der Mädchen und sieben Achtel der Knaben, deportiert worden. Sie sind teils getötet, teils verschickt, teils in türkische Harems gebracht worden. Von den Professoren des Kollege sind vier getötet worden und drei am Leben geblieben.

Professor M. Tenekedjian, der 35 Jahre am Kollege tätig war, wurde am 1. Mai verhaftet und ins Gefängnis

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/105&oldid=- (Version vom 31.7.2018)