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für meine Absichten. Freiherr von Wangenheim, der erkrankt war, hatte bereits am 20. Juli Konstantinopel verlassen. Fürst Hohenlohe-Langenburg war in außerordentlicher Mission mit seiner Vertretung betraut worden. In den wiederholten Aussprachen, die ich mit ihm hatte, konnte ich mich überzeugen, daß er vom ersten Tage an die Vorgänge im Innern sehr ernst genommen und gegenüber dem Großvezier und den Ministern zum Gegenstande nachdrücklichster Vorstellungen gemacht hatte. Doch jeder Schritt, den er tat, stieß auf wachsenden Widerstand. Das Urteil, das ich mir bereits in Sofia über den Charakter der Deportation gebildet hatte, wurde durch die Herren der Botschaft, die aus ihrem Entsetzen keinen Hehl machten, nur bestätigt. Obwohl man mir keinen Einblick in die Konsularberichte geben konnte, erfuhr ich doch von Herrn Dr. Mordtmann, der mit der Bearbeitung der Eingänge betraut war, genug, um die Nachrichten, die ich selbst empfing, sogleich oder bald darauf bestätigt zu finden. Verschiedene Deutsche, Missionare, Lehrer, Schwestern, waren in denselben Tagen aus dem Innern gekommen, die Grauenhaftes berichteten. Noch während ich in Konstantinopel war, wurde die Maßregel der Deportation auf das Küstenland von Zilizien und die nordsyrischen Distrikte, in der zweiten Augustwoche auch auf das westanatolische Gebiet gegenüber von Konstantinopel und am Marmarameer, mit den Städten Ismid, Baghtscheschik, Brussa, Adabasar usw. ausgedehnt. Die armenische Bevölkerung von Konstantinopel zitterte vor der drohenden Verschickung. Durch den Einspruch der deutschen und der amerikanischen Botschaft konnte die letztere verhindert werden, obwohl unter der Hand Tausende von Armeniern aus den unteren Klassen, vor allem diejenigen, die nicht ortsansässig waren, ins Innere abgeschoben wurden. Für das der Hauptstadt benachbarte Gebiet der westanatolischen Städte konnte trotz der energischen Vorstellungen und Warnungen der Botschaften nur ein Aufschub des Abtransportes von ein oder zwei Wochen erreicht werden, um den

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite IX. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)