Seite:Der Todesgang des armenischen Volkes.pdf/149

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

nicht gefallen lassen. Auch andere Kurdenscheichs widersetzten sich der Regierung. Als ihnen aber die Unabhängigkeit ihrer Aschirets (Stämme) zugesichert wurde, gingen sie mit der Regierung und hielten sich an den Armeniern schadlos.

Trotz aller Drangsalierungen verhielten sich die Armenier ruhig, ertrugen die Übergriffe und ließen sich zu keinem Widerstand verleiten. Sie beschwerten sich bei der Regierung, und zeitweise schien die Regierung sie auch schützen zu wollen. In Musch hielt sich zu der Zeit ein bekannter armenischer Führer, Wahan Papasian, Abgeordneter des Parlaments für Musch, auf. Er vertrat die Interessen der Armenier beim Mutessarif von Musch und beim Wali von Bitlis. Ähnlich wie in Wan, versuchte man, durch Verständigung mit der Regierung dahin zu wirken, daß Streitigkeiten geschlichtet würden und die Ordnung, so gut es unter den anarchischen Zuständen möglich war, aufrecht erhalten würde.

Ende April änderte der Wali, wohl auf Veranlassung der Vorgänge in Wan, sein bis dahin noch scheinbar wohlwollendes Verhältnis zu den Armeniern. Am 1. Mai wurden 3 Armenier in Musch gehängt und das armenische Viertel ohne Veranlassung von Militär eingeschlossen. Der Wali drohte öffentlich mit einem Massaker. Zu gleicher Zeit wurden alle noch irgendwie tauglichen armenischen Männer zu den Wegebau- und Lastträgerkolonnen (Hamalar-Taburi) und ohne Rücksicht darauf, ob die Familien ohne Ernährer blieben, ausgehoben. So erhielt z. B. der Vorsteher des Dorfes Goms in der Musch-Ebene Befehl, 50 Ochsen und 50 Mann für Transportzwecke zu stellen. Trotzdem das Dorf nur 70 Männer, die Greise eingerechnet, hatte, brachte er 50 Ochsen und 45 Mann zusammen und bot für die 5 fehlenden Mann die Militärbefreiungssteuer an. Der Müdir von Agdschemak, der nach Goms gekommen war, wollte damit zufrieden sein, aber sein Begleiter, der Kurde Mehmed Amin, ein Feind

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/149&oldid=- (Version vom 31.7.2018)