Seite:Der Todesgang des armenischen Volkes.pdf/150

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

des Dorfvorstehers, nahm das Fehlen der 5 Mann zum Anlaß, den Dorfvorsteher auszupeitschen und 7 Armenier zu erschießen. Es kam zu einem Zusammenstoß, bei dem 7 Gendarmen und weitere 20 Armenier getötet wurden. Etliche Tage nach diesem Vorfall kam es zu einem Zwischenfall in dem Kloster Arakeloz. Dorthin hatten sich 80 Armenier geflüchtet. Truppen aus Musch, die das Kloster durchsuchten, brachen einen Streit vom Zaun, der blutig endete. Der Mutessarif von Musch schickte Truppen, forderte die Auslieferung der Flüchtlinge, ließ sie aber nach weiteren Verhandlungen abziehen. Trotzdem ließ der Mutessarif die Leichen der Türken, die bei dem ersten Zusammenstoß umgekommen waren, nach Musch bringen und sagte in der Leichenrede öffentlich: „Für jedes Haar Eures Hauptes will ich Tausend Armenier hinschlachten lassen.“

Zu derselben Zeit hörte man, daß armenische Wegearbeiter von ihren bewaffneten muhammedanischen Kameraden erschlagen wurden. Als dies systematisch fortgesetzt wurde, sagten sich die Armenier, daß diese Untaten nicht in dem Fanatismus ihrer muhammedanischen Kameraden, sondern in den Anordnungen der Regierung ihren Grund hatten, die die Armenier planmäßig auszurotten beschlossen hatte. Die Beschwerden des Bischofs wurden von der Regierung spöttisch abgewiesen.

Die Armenier waren verzweifelt. Was sollten sie tun? Kampffähige Männer waren kaum noch da. Die Frauen und Kinder waren den türkischen Truppen, den kurdischen Hamidiehs und der fanatisierten Menge preisgegeben.

Zu ihrer Überraschung fingen eines Tages plötzlich Türken und Kurden an, Freundschaft zu heucheln und sich mit ihnen wieder auf guten Fuß zu stellen. Die Erklärung dieser Wandlung war bald gegeben. Die Russen waren bis Gob und Achlat nördlich des Wansees vorgegangen und

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/150&oldid=- (Version vom 31.7.2018)