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Beamten sich in verständiger Weise benommen hätten. Der Kaimakam, der ein vernünftiger und wohlwollender Mann war, ließ zwar einige Leute verhaften, machte aber die armenische Bevölkerung des Ortes nicht für den Vorfall verantwortlich, weil er wußte, daß dieselbe mit dem zugereisten jungen Armenier nichts zu tun hatte. Dies mißfiel dem Mutessarif von Kaisarije, der den Kaimakam absetzte und einen Tscherkessen Seki Beg, einen wahren Unmenschen, an seine Stelle setzte. Dieser kam in die Stadt, ging mit der Peitsche in der Hand und mit einem Gefolge von Gendarmen in alle Häuser, nahm massenhafte Verhaftungen wor, so daß die Gefängnisse vollgestopft waren, und ließ die Gefangenen foltern. Nicht nur daß ihnen die Bastonnade verabreicht wurde, sondern die Füße der Gefangenen wurden mit Schwefelsäure übergossen und angesteckt, die Brust mit glühenden Eisen gebrannt. Der Kaimakam ließ die Gefangenen, da sie nichts wußten und nichts aussagen konnten, nach Pausen von etlichen Tagen immer wieder aufs neue foltern und mit der Bastonnade bearbeiten, bis ihre Füße von tiefen Wunden zerrissen waren. Viele Personen starben infolge der Folterungen. Einen Transport von 14 Personen, den der Kaimakam selbst begleitete, ließ er unterwegs erschießen.

Fräulein Frieda Wolff-Hunecke, die diese Dinge berichtet, fühlte sich nicht mehr sicher am Ort und wünschte nach Deutschland zurückzukehren. Der Mutessarif von Kaisarije wollte ihr aber keine Ausreiseerlaubnis geben, da „sie das Land mit schlechten Eindrücken verlassen würde“. Durch Vermittlung der Botschaft kam sie dann heraus. Damals waren in Kaisarije 640 Armenier im Gefängnis. 30 von ihnen waren die Füße im Stock dermaßen zerschlagen worden, daß die ebenfalls gefangenen Ärzte nicht wußten, was sie damit tun sollten. Das Fleisch war vom Knochen gelöst und teilweise der schwarze Brand ausgebrochen. Verschiedenen mußten die Füße abgenommen werden. „Nach Aussage eines glaubwürdigen Mannes,“ schreibt Frl. Wolff-Hunecke,

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/167&oldid=- (Version vom 31.7.2018)