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erwägen. Ich erwiderte: „Ich will Ihnen gleich einen Vorschlag machen. Schicken Sie mich ins Innere und geben Sie mir den Auftrag, die Versorgung der Deportierten zu organisieren. Ich werde für die nötigen Hilfskräfte und auch für die notwendigen Geldmittel sorgen. Ich habe Erfahrung in diesen Dingen. Ich habe schon einmal nach den Abdul Hamid’schen Massakers ein Hilfswerk ins Leben gerufen, kenne die wirtschaftlichen Möglichkeiten, und die Bedürfnisse der Leute und meine zwanzigjährige Erfahrung wird mir von Nutzen sein. Durch deutsche Hilfsvereine sind damals viele Tausende von Waisenkindern unterhalten und auferzogen worden, Hospitäler gegründet, wirtschaftliche Betriebe eingerichtet worden. Ein Hilfswerk für die Deportierten würde sich auch jetzt, trotz des Krieges, in weit größerem Maßstabe ermöglichen lassen, wenn ich dazu von Ihnen ermächtigt würde.“

Enver Pascha hörte mich aufmerksam an. Dann sagte er mit einem Unterton höhnischer Grausamkeit, die sich ihre Überlegenheit über jede Menschlichkeit bewußt war: „Ich schätze Ihre gute Absicht, aber ich kann Ihren Vorschlag nicht annehmen. Wenn ich zulassen würde, daß Fremde den Armeniern Hilfe bringen würden, so würden sie nicht aufhören, ihre Hoffnung auf fremde Einmischung zu setzen, um ihre Träume zu verwirklichen. Wir können mit unsern inneren Feinden fertig werden. Sie in Deutschland können das nicht. Darin sind wir stärker als Sie. Darum kann ich keinem Fremden gestatten, den Armeniern Wohltaten zu erweisen. Die Armenier sollen in uns allein ihre Wohltäter sehen. Doch ich will Ihnen einen Vorschlag machen. Geben Sie die Mittel, die Sie sammeln, mir. Ich werde sie ganz nach Ihrer Bestimmung verwenden, und Personen, denen Sie Vertrauen schenken, mit der Kontrolle beauftragen, doch keine Deutschen.“

Ich konnte nicht wohl antworten, daß auf diesem Wege unser Geld teils in den Taschen türkischer Beamten verschwinden, teils für andere Zwecke verwendet werden würde.

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite XVI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/19&oldid=- (Version vom 31.7.2018)