Seite:Der Todesgang des armenischen Volkes.pdf/211

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

waren sie Kameraden der jungtürkischen Führer gewesen, waren persönlich mit ihnen befreundet und waren entschlossen, ihnen treu zu bleiben. Trotz mancher Enttäuschungen und trotz des Massakers von Adana blieben sie der Überzeugung, daß einzig die jungtürkischen Führer (die gegenwärtig die Regierung des türkischen Reiches in Händen haben) aufrichtige Anhänger und Verteidiger der Konstitution seien. Dies ließ sie über manches hinwegsehen, was sie hätte zurückstoßen müssen. Aber auch die Jungtürken kamen, wenn sie eine Zeitlang ihre eigenen Wege gegangen waren, immer wieder zu den Daschnakzagan zurück. Sobald nämlich ihre eigene Herrschaft in Gefahr war, baten sie die Daschnakzagan um ihre Hilfe, machten ihnen größere Versprechungen als zuvor und rüsteten sie für den Fall eines Bürgerkrieges mit Waffen aus, um die Konstitution zu verteidigen. Solche Vereinbarungen wurden mündlich und schriftlich getroffen und von den jungtürkischen Führern mit ihren Namen unterzeichnet. Sobald die Letzteren wieder Oberwasser hatten, vergaßen sie ihre Versprechungen und fragten nichts nach dem Mißmut der Daschnakzagan. Als die Krisis des Jahres 1911 die Auflösung des Parlaments herbeiführte und die Jungtürken fürchteten, daß die Wahlen für sie ungünstig ausfallen könnten, näherten sie sich aufs neue den Daschnakzagan, schlossen ein Wahlabkommen mit ihnen ab und sicherten ihnen, entsprechend der armenischen Bevölkerungszahl von ca. 2 Millionen, 19 Parlamentssitze zu. Durch Unterschrift der angesehensten Vertreter des Komitees für Einheit und Fortschritt wurde das Wahlabkommen besiegelt. Gemeinsame Wahlaufrufe wurden unterschrieben und überall im Reich agitierten die Daschnakzagan für die Jungtürken. Als die Letzteren während der Wahlkampagne das Heft wieder in die Hand bekamen, richteten sie die Sache so ein, daß die Armenier nicht nur keine 19, sondern statt der früher innegehabten 12 nur 9 Sitze bekamen. Diese 9 Sitze waren überdies zum Teil mit Kreaturen des Komitees

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/211&oldid=- (Version vom 11.5.2020)