Seite:Der Todesgang des armenischen Volkes.pdf/215

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

bereits in Wan. Sofort nach Ausbruch des europäischen Krieges nahm die Pforte das Reformprogramm zurück und schickte die Generalinspektoren nach Haus. Ein unverzeihlicher Fehler. Wären die Generalinspektoren im Lande geblieben, so hätten die Ereignisse, die zum Verlust von Wan führten, verhütet werden können und das Vertrauen des armenischen Volkes in die Aufrichtigkeit der Reformabsichten wäre nicht erschüttert worden.

Auch sonst erlebten die türkischen Armenier böse Enttäuschungen. Auf dem Kongreß von Erzerum war mit den jungtürkischen Führern vereinbart worden, daß ein bekannter Daschnakzagan, Alojan, in den Kaukasus gesandt werden sollte, um die russischen Armenier dazu zu bewegen, daß sie sich, soweit es in den Grenzen der Loyalität möglich war, zurückhalten und alle provokatorischen Handlungen vermeiden sollten, um nicht die Loyalität der türkischen Armenier zu kompromittieren. Alojan wurde auf der Reise nach dem Kaukasus, noch auf türkischem Boden, ermordet. Auch die Bewegungsfreiheit der Führer der türkischen Daschnakzagan wurde eingeschränkt. Der Minister des Innern Talaat Bey nötigte seinen Freund Aknuni und andere Daschnakzagan, wie Nostam und Wrazian, die sich in den Provinzen der gemeinsamen Sache widmen wollten, in Konstantinopel zu bleiben, um sie dort überwachen zu lassen. Durch diese Beweise eines illoyalen Mißtrauens wurde Garo Pastermadsjian, der Deputierte von Erzerum, derartig konsterniert, daß er Ende August, also 2½ Monate vor dem Ausbruch des russisch-türkischen Krieges, in den Kaukasus, wo er zu Haus ist und Fabriken besitzt, und von wo er lange Zeit verbannt war, zurückkehrte. Da er in Tiflis sein Geschäft hat, war das sein gutes Recht. Aber es war sein persönlicher Entschluß, der von allen andern Führern der Daschnakzagan mißbilligt wurde. Er hatte bis dahin mit ganzer Seele das Programm vertreten, daß das Schicksal des armenischen Volkes an das Schicksal der

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/215&oldid=- (Version vom 31.7.2018)