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Gründe zu einem Mißtrauen gegen die loyale Bevölkerung lagen nicht vor. Ebensowenig hatte man den Führern der Daschnakzagan oder dem Patriarchat etwas vorzuwerfen. Da kam am 18./31. März das erste Anzeichen, daß hinter den Kulissen der Regierung etwas vorging. Das weitere Erscheinen der Tageszeitung „Azatamart“, des Organs der Daschnakzagan, wurde ohne sichtbaren Grund vom Kriegsgericht verboten. Als Vorwand diente ein Artikel über die Verwaltung der protestantisch-armenischen Gemeinden. Einer der Redakteure des Azatamart, der persischer Untertan war, wurde verhaftet und trotz der Intervention des persischen Konsuls ins Innere verschickt.

Noch niemand wußte, was dies Vorgehen zu bedeuten hatte. Nur merkte man, daß die Regierung ein auffallendes Mißtrauen gegen die Armenier hege, für das man Gründe nicht ausfindig machen konnte. Die ungewisse und schwüle Stimmung hielt noch drei Wochen an. Man ahnte nicht, was inzwischen vorbereitet worden war. Da, am Sonntag, den 12./25. April, wurde die armenische Bevölkerung von Konstantinopel von einer fast unglaublichen Kunde überrascht.

Am Sonnabend war seit dem frühen Morgen die ganze Polizei in Bewegung. Nach einer vorbereiteten Liste nahm man den Tag über einzelne Verhaftungen vor. Dann fanden von neun Uhr abends bis Sonntag früh ununterbrochen Verhaftungen statt. Fast alle, im Vordergrunde des öffentlichen Lebens stehenden Armenier, besonders auch die Führer der Daschnakzagan, wurden verhaftet und mit ihren Tresors und Papieren in Automobilen auf die Polizei gebracht. Von Mitternacht an wurde die Redaktion von Azatamart besetzt, alle Insassen verhaftet, das Haus geschlossen. Ein Gendarm bewachte das Tor. Aknuni wurde in seiner Wohnung verhaftet, wo sich gerade auch zwei andere Führer der Daschnakzagan, Wartkes und Heratsch, befanden. Der letztere ging zur Redaktion des Azatamart, wo man ihn auch verhaftete. Am nächsten

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/223&oldid=- (Version vom 31.7.2018)