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die Haussuchungen und Nachforschungen, bei denen nichts gefunden wurde, waren ein vollständiges Fiasko. Nur die Ereignisse in Wan und Siwas (Schabin-Karahissar) haben sie irre gemacht, so daß sie eine allgemeine Bewegung zu fürchten schien. In den Provinzen wird die Lage immer schlimmer. Wir können ihnen auf keine Weise begreiflich machen, daß alles, was im Innern vorgeht, das Ergebnis der schlechten Aufführung ihrer Beamten ist. Die Erklärung des Belagerungszustandes hat die Bedingungen dafür geschaffen, und der allgemeine Kriegszustand hat die Beamten in die Lage gesetzt, straflos alles zu tun, was ihnen beliebt.“

Am 12. Mai besuchte Wartkes Talaat Bey in seinem Hause. Talaat Bey war nicht imstande, irgendwelche revolutionären Pläne der Daschnakzagan als Ursache der Verschickung geltend zu machen. Bezeichnenderweise griff er auf die früheren Reformbestrebungen der Armenier, die ja auch die Ursache der Massakers unter Abdul Hamid gewesen waren, zurück.[1]

Talaat sagte zu Wartkes: „In den Tagen unserer Schwäche“ (nach der Rückeroberung von Adrianopel!) „seid ihr uns an die Kehle gefahren und habt die armenische Reformfrage aufgeworfen. Darum werden wir die Gunst der Lage in der wir uns jetzt befinden, dazu benutzen, euer Volk derart zu zerstreuen, daß ihr euch für fünfzig Jahre den


  1. Diese Reformbestrebungen hatten für die Armenier niemals etwas anderes zu erreichen gehofft, als Sicherheit von Leben und Eigentum und Schutz vor räuberischen Kurden. Wenn die Großmächte wiederholt auf diese Reformen zurückkamen und die Wünsche der Armenier unterstützten, so war die durch den Berliner Vertrag (§ 81) von 1878 begründet. Auch Deutschland hatte sich im Jahr 1913 In hervorragender Weise an den Reformverhandlungen beteiligt und die Pforte zur Annahme des in der Note vom 26. Januar/8. Februar 1913 formulierten Reformprogrammes bewogen. Aus den Verhandlungen der Mächte und den Zugeständnissen der Pforte wurde jetzt den Armeniern ein Verbrechen gemacht. Vgl. S. 179.
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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/230&oldid=- (Version vom 31.7.2018)