Seite:Der Todesgang des armenischen Volkes.pdf/252

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


ja in ihrer Loyalität bitter enttäuscht worden sind, und sonstige Organisationen, die in der Lage gewesen wären, das armenische Volk zu revolutionieren weder vorhanden waren, noch auch von türkischer Seite namhaft gemacht worden sind, müssen tiefer liegende Gründe ausfindig gemacht werden, die imstande sind, den ganzen Verlauf der Ereignisse zu erklären.


7. Das panislamische Programm.


Wir haben bereits darauf aufmerksam gemacht, daß strategische Gründe, die für die Deportation geltend gemacht wurden, in kaum nennenswertem Maße anerkannt werden können. Abgesehen vom Wangebiet, das ja gerade von einer Deportation verschont blieb, weil es von den Russen besetzt wurde, liegen die zwei oder drei Plätze, wo die Armenier Widerstand leisteten, wie in Zeitun und Schabin-Karahissar so sehr abseits von den Kriegsgebieten, daß die Deportation einer Bevölkerung von anderthalb Millionen, die sich über alle Teile des Reiches, auch die dem Kriegsschauplatz entlegensten, erstreckte, nun und nimmermehr durch militärische Interessen gerechtfertigt werden kann.

Die einzige Erklärung, welche die Maßregel der Behörden nicht als eine sinnlose Handlung erscheinen läßt, bietet die Annahme, daß es sich um die Durchführung eines innerpolitischen Programms handelte, das sich mit kalter Überlegung und Berechnung die Vernichtung des armenischen Volkselementes zur Aufgabe machte. Sehen wir zu, ob sich hierfür in den vom jungtürkischen Komitee und ihren Führern aufgestellten politischen Richtlinien ausreichende Grundlagen finden und ob insbesondere für die Maßregeln gegen die Armenier Anhaltspunkte, die in dieselbe Richtung weisen, vorhanden sind.

Als im Juli 1908 in Saloniki die Verfassung ausgerufen war, glaubte alle Welt, daß nun auch der Türkei endlich

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/252&oldid=- (Version vom 31.7.2018)