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Waffengewalt Zuflucht nehmen. Der Charakter des Reiches habe muhammedanisch zu sein und muhammedanischen Einrichtungen und Überlieferungen müsse Respekt verschafft werden. Anderen Nationalitäten müsse das Recht der Organisation vorenthalten werden, denn Dezentralisation und Selbstverwaltung seien Verrat am Türkischen Reich. Die Nationalitäten seien eine quantité négligeable. Sie könnten ihre Religion behalten, aber nicht ihre Sprache. Die Ausbreitung der türkischen Sprache sei eins der Hauptmittel, um die muhammedanische Vorherrschaft zu sichern und die übrigen Elemente zu assimilieren.

So sah das Programm des Komitees für Einheit und Fortschritt schon im Herbst 1911 aus. Man wird finden, daß die darin ausgesprochenen Grundsätze in jeder Beziehung dem Vorgehen gegen die Armenier zugrunde liegen.18) Bekanntlich wurde die Herrschaft des Komitees im Juli 1912 gestürzt. Vier Jahre lang hatten sich die aufeinanderfolgenden Kabinette von Kiamil-Pascha, Hilmi-Pascha, Hakki-Pascha und Said-Pascha auf die unbestrittene Majorität der jungtürkischen Partei in der Kammer gestützt. Aber bereits im April 1911 war eine Spaltung im Komitee eingetreten und eine allmählich erstarkte konservative Gruppe hatte die Majorität erlangt. Die Krisis war dadurch gelöst worden, daß Talaat Bey und Dschavid Bey aus dem Ministerium ausschieden.

Aber nach den Wahlen kehrten die jungtürkischen Führer in das Kabinett zurück und schienen fester denn je im Sattel zu sitzen. Erst infolge der unglücklichen Operationen gegen die Albanier, die man durch militärische Strafexpeditionen zum Abfall gereizt hatte, bildete sich in dem mazedonischen Offizierkorps eine Opposition gegen die jungtürkische Herrschaft, die durch den Geheimbund der Militärliga die politische Macht an sich riß. Am 16. Juli demissionierte das jungtürkische Kabinett des greisen Said-Pascha und am 5. August wurde die jungtürkische


[Ξ] 18)

Vgl. Lepsius, Dtschl. und Arm. Einl Kap. V, 5: Die offizielle Motivierung. S. LXVI ff.

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/257&oldid=- (Version vom 9.12.2016)