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anzurufen wagten. Schon damals verlautete, daß einflußreiche jungtürkische Führer sich öffentlich dahin geäußert hätten, wenn die Armenier nicht von der Reformfrage die Finger ließen, so hätten sie ein Massaker zu besehen, gegen das die Massakers von Abdul Hamid ein Kinderspiel wären. Was die Armenier wünschten, war ja nichts anderes, als die Grundrechte der Sicherheit von Leben und Eigentum und der Gleichheit vor dem Gesetze, die sich für jeden europäischen Staatsbürger von selbst verstehen, die man ihnen aber, trotz der internationalen Verträge der Großmächte mit der Türkei seit Jahrzehnten vorenthalten hatte. War es ein Wunder, daß sie aufatmeten, als ihnen endlich, dank der Mitwirkung der deutschen Politik, von der Pforte die Zugeständnisse gemacht waren, die für eine friedliche Entwicklung ihres Lebens unerläßlich waren und für eine Abwehr der russischen Einmischungsversuche in die inneren Angelegenheiten der Türkei im eignen Lebensinteresse der Türkei lagen? Und sollten sie auf die Anteilnahme der Mächte an ihrem Schicksal, obwohl sie offiziell weder mitzureden hatten noch gefragt wurden, verzichten, wenn ihnen bekannt war, welche Grundsätze die Jungtürken in ihrem Programm für die Behandlung der christlichen Nationalitäten aufgestellt hatten? Gleichwohl wurde den Armeniern noch nachträglich aus ihrer freudigen Aufnahme des Reformplanes ein Verbrechen gemacht. Die Maßregel der Deportation, mit den dazu gehörigen Massakers ist von jungtürkischen Führern ganz offen damit begründet worden, daß man den Armeniern ein- für allemal den Gedanken an Reformen austreiben wolle.19)

Einen charakteristischen Beleg bietet ein Steckbrief, der gegen den Chef einer vom Katholikos der Armenier eingesetzen Deputation, Boghos Nubar Pascha, nach der Durchführung der Deportation erlassen und am 11. August 1915 im „Hilal“ veröffentlicht worden ist.

Zum Verständnis desselben muß zuvor gesagt werden,


[Ξ] 19)

Vgl. die Urteile der deutschen Botschafter und Konsuln ebenda S. LXXVI ff.

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/261&oldid=- (Version vom 31.7.2018)