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wenn es gesprochen wurde, nicht ernst zu nehmen. Die griechische Bevölkerung wird so lange sicher sein, als sich Griechenland nicht der Entente angeschlossen hat. Dagegen hat man ernstlich an eine Austreibung der 160 000 Armenier aus Konstantinopel gedacht. Der Einspruch Deutschlands hat sie verhindert. Ein Sektionschef im Justizministerium sagte zu einem Armenier: „Es ist in diesem Reich kein Raum für uns und euch, und es würde ein unverantwortlicher Leichtsinn sein, wenn wir diese Gelegenheit nicht benützen würden, um mit euch aufzuräumen“. Mitglieder des jungtürkischen Komitees sprachen es offen aus, daß alle „Fremden“ aus der Türkei verschwinden müßten, erst die Armenier, dann die Griechen, dann die Juden und zuletzt die Europäer“. Die Frage, ob ein Armenier schuldig oder unschuldig ist, ob man ihn eines Verbrechens gegen den Staat für verdächtigt hält oder nicht, ob er durch ordentliche Gerichte einer Schuld überführt ist oder nicht, existiert für das Bewußtsein eines Muhammedaners, da es sich um Christen handelt nicht, wenn man ihn aus Gründen der Staatsraison beseitigen will. Andernfalls wäre es nicht möglich, an einer Million von Staatsbürgern einen Massenraub zu begehen, der niemals eine gerichtliche Ahndung finden wird. Das muhammedanische Recht und das Vorbild Muhammeds erlauben solche Dinge. Ein türkischer Minister rühmte sich dessen, daß, was Abdul Hamid in 30 Jahren nicht fertig gebracht habe, er in 3 Wochen zustande bringen würde. Dem Einwande, daß mit den wenigen Schuldigen eine ungeheure Masse Unschuldiger mitbestraft und umgebracht werde, begegnete ein türkischer Offizier mit der Bemerkung: „Dieselbe Frage richtete jemand an unseren Propheten Muhammed – Gottes Friede über Ihm! – und er erwiderte: „Wenn du von einem Floh gebissen wirst, tötest du nicht alle?“

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/265&oldid=- (Version vom 31.7.2018)