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Dinge über die armenische Frage zu lesen wären, zweitens konnte er nicht wohl wagen, einem deutschen Publikum die niederträchtige Verleumdung des deutschen Kaisers, auf die es seinem Gewährsmann in erster Linie ankam, vorzusetzen. Sein Gewährsmann hätte damit sofort jedes Vertrauen für alles, was Herr Bratter von ihm ab schreibt, verloren.

Zur Sache ist noch zu bemerken, daß die Beschuldigung, der Angriff auf die Ottoman Bank sei auf englisches Anstiften und mit englischem Gelde erfolgt, vollkommen aus der Luft gegriffen ist. Die Armenier wünschten im Gegenteil gerade die öffentliche Meinung in England gegen die englische Regierung mobil zu machen, die die Massaker Abdul Hamids lediglich mit papiernen Noten beantwortete und den armenischen Reformplan ein für alle mal fallen ließ. Hätte England den Sultan Abdul Hamid bedrohen wollen, so hätte es andere Mittel zur Verfügung gehabt, als die Demonstration einer Handvoll Armenier.

Mit besonderer Kunst umgeht Herr Bratter die hamidischen Massakers aus dem Jahre 1895/96. Es gab ja eine Zeit, wo manche Leute davon lieber schwiegen. Nach dem Sturz von Abdul Hamid war dies anders geworden. Seit dem Siege der jungtürkischen Revolution gab jedermann dem toten Löwen Fußtritte. Auch in der deutschen Presse wurde Abdul Hamid nur noch der „rote“ oder der „blutige“ Sultan genannt. Die Armenier nennen nach ihren jüngsten Erfahrungen den Sultan Abdul Hamid jetzt ironisch „ihren Wohltäter“, da ihnen die Schläge, die er ihrer Nation versetzt hat, gegen ihr jetziges Schicksal erträglich erscheinen. Mögen die Armenier zu dieser „Rettung“ Abdul Hamids berechtigt sein, Herr Bratter ist es nicht. In keinem Falle aber ist ihm eine Geschichtsfälschung erlaubt, wie er sie auf Seite 34, 35 und 36 in seiner Schilderung der Massakers von 1894/95/96 begeht. Ich ziehe es vor, anzunehmen, daß auch hier Herr Bratter, wie im Falle der Ausschreibung des Dr. Risaat und der Herren Ular und Insabato, ein

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/321&oldid=- (Version vom 31.7.2018)