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werden, daß Nachrichten aus dem Innern zu früh an die Öffentlichkeit und nach Europa gelangten. Seit Anfang Juni wurden auch alle armenischen Beamten aus dem Staatsdienste entlassen, und die armenischen Ärzte, welche seit Anfang des Krieges pflichttreu in den türkischen Militärlazaretten gearbeitet hatten, wurden ins Gefängnis geworfen.

Alle diese Verhaftungen, die sich auf Tausende von Armeniern von Ansehen und Bildung, Deputierte, Publizisten, Schriftsteller, Dichter, Rechtsanwälte, Notare, Beamte, Ärzte, Großkaufleute, Bankiers und alle besonders wohlhabenden und einflußreichen Elemente erstreckten, wurden vorgenommen, ohne daß ein geordnetes Rechtsverfahren vorherging oder nachfolgte. Nicht einmal die Beschuldigung, daß sie sich an irgendwelchen staatsfeindlichen Handlungen beteiligt oder solche geplant hätten, wurde geltend gemacht. Man wollte den Kopf des armenischen Volkskörpers abschlagen, ehe man die Glieder zerschlug. Über den Ursprung all dieser Maßregeln und die Gründe, welche die leitenden Kreise bestimmten, wird gesondert zu reden sein. Die Befehle an die Behörden kamen aus Konstantinopel, und wurden, trotz des Widerstandes, den einzelne Regierungbeamte, ja hier und da auch die türkische Bevölkerung der Ausführung entgegensetzten, rigoros und unerbittlich durchgeführt.

Die zweite Etappe der Maßregeln, die der Gesamtdeportation vorhergingen, betraf den männlichen Teil der Bevölkerung, der bereits zur Armee ausgehoben war oder noch im Verlauf der Ereignisse ausgehoben wurde. Die zum Heeresdienst eingezogenen Armenier, die sich, nach dem Zeugnis des Kriegsministers tapfer geschlagen hatten, und zwar nicht nur an den Dardanellen, sondern auch in den Kaukasuskämpfen gegen Rußland, wurden zum

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/57&oldid=- (Version vom 31.7.2018)