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größten Teil entwaffnet und als Lastträger und Straßenarbeiter im Heeresdienst verwendet. Aus fast allen Provinzen liegen Nachrichten vor, daß nicht nur in einzelnen Fällen die armenischen Arbeiter von ihren muhammedanischen Kameraden erschlagen wurden, sondern daß ganze Abteilungen in Gruppen von 80, 100 oder mehr Mann auf Anordnung von Offizieren und Gendarmen von Militär und Gendarmerie erschossen wurden. In welchem Umfange die Ermordung der zur Armee eingezogenen Armenier vor sich gegangen ist, wird man vielleicht niemals, jedenfalls aber erst nach dem Kriege in Erfahrung bringen können.

Unter dem Vorwande der Aushebung wurden in zahlreichen Städten und Dörfern auch alle übrigen männlichen Bewohner schon vom 16. bis hinauf zum 70. Jahre abgeführt, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie sich bereits in gesetzlicher Weise losgekauft hatten oder dienstuntauglich waren. Die abgeführten Kolonnen wurden in die Berge geführt und füsiliert, natürlich ohne irgend ein vorhergehendes Rechtsverfahren, für das weder Zeit noch Umstände Raum gaben.

Die Maßregeln sind nicht überall in gleichmäßiger Weise ausgeführt worden; sie waren zum Teil dem Belieben der Lokalbehörden überlassen, die dafür Sorge zu tragen hatten, daß die nachfolgende Gesamtdeportation bequem und gefahrlos und ohne daß ein Widerstand gefürchtet zu werden brauchte, vor sich ging. Diesem Zwecke diente auch die fast überall schon geraume Zeit vorher durchgeführte Entwaffnung der armenischen Bevölkerung. Da die allgemeine Unsicherheit im Innern der Türkei es mit sich bringt, daß jedermann zu seinem persönlichen Schutze bewaffnet ist und bei Reisen oder Wegen über Land Waffen mit sich führt, ist in Friedenszeiten der Besitz und das Tragen von Waffen erlaubt. Auf Veranlassung des jungtürkischen Komitees war die konstitutionelle Organisation des armenischen Volkes,

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/58&oldid=- (Version vom 31.7.2018)