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die Partei der Daschnakzagan[1], in den Zeiten drohender Reaktion verschiedentlich mit Waffen versehen worden, damit sie im Falle von Umsturzversuchen, wie sie zweimal, 1909 und 1912, den Alttürken und der liberalen türkischen Opposition gelangen, die Sache ihrer jungtürkischen Freunde mit bewaffneter Hand unterstützen könnten. Nur in einzelnen Fällen, von denen noch die Rede sein wird, weigerten sich die Armenier, ihre Waffen abzuliefern, da sie Grund hatten, ein Massaker zu befürchten. So in Wan und Schabin-Karahissar. Die Entwaffnung ging in den Städten – die obengenannten Fälle ausgenommen – ohne Zwischenfall vor sich. In Konstantinopel fand die Entwaffnung vom 29. April bis zum 9. Mai in ordnungsmäßiger Weise statt. Es wurden sogar Empfangsscheine von den Behörden ausgestellt. Auf dem Lande führte die Maßregel der Entwaffnung, wie zahlreiche Nachrichten beweisen, zu brutalen Repressalien. Die Ablieferung wurde nicht behördlich angesagt, noch wartete man das Ergebnis der freiwilligen Ablieferung ab, sondern Gendarmen kamen in die Dörfer und verlangten eine beliebige Anzahl von Gewehren, 200, 300 oder wieviel dem Gendarmen gut schien. Wurden diese nicht sofort zur Stelle geschafft, so wurden der Dorfschulze und die Ältesten verhaftet und unter dem Vorwande, daß sie Waffen versteckt hätten, mißhandelt. Oft wurde die Folter angewendet. Besonders beliebt bei Gendarmen und Gefängnismeistern ist die Bastonnade, die, in unmenschlicher Weise angewendet, oftmals den Tod der Opfer verursacht. Aber auch Haare und Nägel wurden ausgerissen, glühende Eisen eingebrannt und jede Art von Schändlichkeit an Frauen und Kindern verübt. Oft waren die Dorfbewohner gezwungen, von ihren türkischen Nachbarn oder von Kurden und Tscherkessen zu hohen Preisen oder gegen Schafe und


  1. Die Partei heißt Daschnakzutiun, die Mitglieder der Partei Daschnakzagan.
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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/59&oldid=- (Version vom 31.7.2018)