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die im Herbst aus dem Auslande eintrafen, wurden den Kaufleuten weggenommen. Die Beamten benützten die Requisitionen zu Erpressungen. Der Garnisonssekretär von Erzingjan, Hadji Bey, kam in das Magazin von Sarkis Stepanian, ließ einige armenische Kaufleute dort hinkommen und sich von ihnen 300 türk. Pfund auszahlen. Um den Schein zu wahren nahm er auch von türkischen Kaufleuten eine geringfügige Summe. Nach der Plünderung des Bazars kamen die Häuser an die Reihe. Unter dem Vorwande, Waffen zu suchen, durchwühlten die Gendarmen alle Kisten und Kasten und nahmen mit, was ihnen behagte. Niemand durfte gegen derartige Requisitionen ein Wort sagen. Auf den geringsten Verdacht oder irgend eine Denunziation hin wurden harmlose Leute ins Gefängnis geworfen, gefoltert und vor das Kriegsgericht gestellt.

Wie im Wilajet Trapezunt, so waren auch im Wilajet Erzerum von junktürkischen politischen Klubs Banden, sog. Tschettehs, aus den schlechtesten Elementen der Bevölkerung gebildet und bewaffnet worden. Diese Banden sahen ihre Hauptaufgabe darin, armenische Dörfer zu überfallen und zu plündern. Fanden sie keine Männer, so wurden die Frauen vergewaltigt und unter Mißhandlungen gezwungen, alles, was sie noch an Geld oder Geldeswert hatten, herauszugeben. Die Daschnakzagan beklagten sich bei Tahsin Bey, dem Wali von Erzerum, als in den Dörfern Dwig, Badischin und Targuni derartiges vorgekommen war. Er versprach, die Missetäter zu bestrafen, aber nach 10 Tagen geschah genau dasselbe in den Dörfern Hinzk und Zitoth. So sah es schon Anfang Januar auf dem Lande aus.

Dem Wali Tahsin Bey, der den besten Willen hatte, gelang es vorübergehend, die Ausschreitungen der Tschettehs und der Gendarmen zu unterdrücken, so daß es Anfang Februar erheblich besser in der Provinz aussah. Zwar fielen die Requisitionen immer noch mit ihrer ganzen

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/70&oldid=- (Version vom 31.7.2018)