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und die Folterung fortgesetzt. Man wollte von ihm wissen, was er in der Zisterne verborgen habe. Der Unglückliche konnte nichts angeben, da er von der Zisterne nicht einmal etwas gewußt hatte. Darauf wurde ihm ein Dokument vorgelegt, in dem er zu bezeugen hatte, daß er unter dem Tonnür Bomben und Waffen verborgen habe. Unter Foltern wurde er gezwungen, das Schriftstück zu unterschreiben. Alsdann wurde er nach Erzerum deportiert. Derartige Dokumente hatten den Zweck, einen Vorwand für die Deportation herzugeben. Die Armenier, die von dieser Sache hörten, wußten jetzt, was ihnen drohe. Als die Requisitionen und Haussuchungen in der Stadt be­endet waren und nichts gefunden worden war, wurden die Gendarmen auf die Dörfer geschickt.

Am 14. März kam ein Leutnant der Gendarmerie, Suleiman Efendi, mit 30 Gendarmen in das Dorf Minn im Sandschak Erzingjan. Zuerst ließ er sich 100 türkische Pfund (ca. 1900 M.) auszahlen, ohne zu sagen, wer ihn beauftragt habe und wofür die Summe zu zahlen sei. Dann vergnügten sich die Gendarmen die Nacht hindurch in dem Dorfe. Am Morgen begannen die Haussuchungen. Es gab einige Waffen im Dorf, die zur Zeit der Reaktion von Jungtürken verteilt worden waren. Ein gewisser Oteldji Hafis war damals der Überbringer dieser Waffen, die die Leute gegen einen guten Preis hatten kaufen müssen. Der Priester des Dorfes nannte die Namen derer, die Waffen hatten. Die Leute wurden verhaftet und ihnen die Waffen abgenommen. Der Gendarmerie-Leutnant wollte aber noch Bomben haben und fing an, Männer, Frauen und Kinder zu schlagen. Als sie keine Bomben fanden, ließ er dem Priester fünfmal hintereinander die Bastonnade verabreichen. Als er mit dem Schlagen genug hatte, schloß er den Priester in ein Zimmer ein und notzüchtigte seine Frau. Dann fingen die Gendarmen an, zum Spaß auf die Dorfbewohner zu schießen. Als sie auch damit genug hatten, bewaffneten

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/73&oldid=- (Version vom 31.7.2018)