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Vorwort.

Anfang Juni 1915 wurde mir im Auswärtigen Amt ein Telegramm des Botschafters Freiherr von Wangenheim aus Konstantinopel vom 31. Mai 1915[1] vorgelegt, das folgenden Inhalt hatte:

Zur Eindämmung der armenischen Spionage und um neuen armenischen Massenerhebungen vorzubeugen, beabsichtigt Enver Pascha unter Benutzung des Kriegs-(Ausnahme-)zustandes eine große Anzahl armenischer Schulen zu schließen, armenische Postkorrespondenz zu untersagen, armenische Zeitungen zu unterdrücken und aus den jetzt insurgierten armenischen Zentren alle nicht ganz einwandfreien Familien in Mesopotamien anzusiedeln.…

     Bitte Dr. Lepsius und deutsche armenische Komitees entsprechend verständigen, daß erwähnte Maßnahmen bei der politischen und militärischen Lage der Türkei leider nicht zu vermeiden.…

          Wangenheim

Nach Kenntnisnahme des Telegramms sagte ich dem Referenten für die Orientangelegenheiten, Geh. Legationsrat von Rosenberg: „Der Botschafter scheint sich über die Tragweite der Entschließung Enver Paschas nicht klar zu sein. Um „Massenerhebungen vorzubeugen“ verschickt man nicht „Familien“, die „nicht ganz einwandfrei“ sind, sondern „Massen“. Massendeportationen sind Massenmassakers. Das weiß jeder, der die inneren Zustände der Türkei und die Bedingungen, unter denen solche Verschickungen stattfinden, kennt. Erwirken Sie mir bitte die


  1. Abgedruckt in „Deutschland und Armenien 1914–1918“, Sammlung diplomatischer Aktenstücke, herausgegeben und eingeleitet von Dr. Johannes Lepsius, Tempelverlag in Potsdam S. 79 (Nr. 72).
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite V. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)