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wollte sich nicht von mir trennen. Schließlich wurden wir beide in ihren Wagen genommen, als wir versprachen, Muhammedaner zu werden. Sobald wir in die Araba (Wagen) gestiegen waren, fing sie an, uns zu lehren, was man als Moslem zu tun hat, und änderte unsere christlichen Namen in muhammedanische.

Die schlimmsten und unsagbarsten Greuel blieben uns aufgespart, als wir in die Ebene von Erzingjan und an das Ufer des Euphrat kamen. Die verstümmelten Leichen von Frauen, Mädchen und kleinen Kindern machten jedermann schaudern. Auch den Frauen und Mädchen, die mit uns waren, fügten die Banditen Entsetzliches zu. Ihr Schreien stieg zum Himmel empor. Am Euphrat warfen die Gendarmen alle noch übrigen Kinder unter 15 Jahren in den Fluß. Die schwimmen konnten, wurden erschossen, als sie mit den Wellen kämpften. Als wir Enderes auf der Straße nach Siwas erreichten, waren die Abhänge und Felder besät mit angeschwollenen und schwarz gewordenen Leichen, die die Luft mit ihrem Geruch erfüllten und verpesteten.

Nach 7 Tagen erreichten wir Siwas. Dort war nicht ein Armenier mehr am Leben. Die türkischen Frauen nahmen mich und meine Tochter mit ins Bad und zeigten uns viele andere Frauen und Mädchen, die den Islam hatten annehmen müssen. Auf dem Wege nach Josgad trafen wir 6 Frauen, die den Feredjé (Schleier) trugen, mit ihren Kindern auf dem Arm. Als die Gendarmen die Schleier lüfteten, fanden sie, daß es als Frauen verkleidete Männer waren und erschossen sie auf der Stelle. Nach einer Reise von 32 Tagen erreichten wir Konstantinopel.“

Über den Zustand und das Schicksal der Karawanen von Deportierten, die aus der Gegend von Baiburt und Erzerum durch Erzingjan durchkamen, liegt noch ein weiteres Zeugnis der beiden deutschen Krankenschwestern aus Erzingjan vor:

„Am Abend des 18. Juni gingen wir mit unserem

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/85&oldid=- (Version vom 31.7.2018)