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zu schlagen und dabei zornig zu schreien und zu rufen. Das kümmerte uns jedoch nicht; ich ging auf Langfelds Befehl ans Ruder und er selber kappte mit dem Beil des Kochs die Trossen, die den Schoner an den Mangroven festhielten.

Wir lagen auf der Leeseite des Creeks und es war eine schwere Aufgabe, den Schoner vom Ufer ab und in die Mitte des Fahrwassers zu bringen. Zum Glück hatte der Wind die finstern Wolkenmassen bald zerrissen und zerstreut; hier und da blinkte ein Stern hernieder, und dann ging auch der Mond auf, der im zweiten Viertel stand, so daß wir jetzt genügend sehen konnten. Trotzdem war die Navigation des schmalen Wasserarmes so schwierig, daß der Leutnant sich vorn im Buge aufstellen mußte, um mir anzugeben, wie das Ruder zu legen sei.

Die Gefangenen in der Kajüte gaben das Pochen und Schreien bald als nutzlos auf, und ich hoffte bereits, daß sie sich in das Unvermeidliche gefügt hätten, da krachte eine Kugel durch die Tür und pfiff in unangenehmer Nähe an meinem steuerbordschen Ohr vorbei.

Langfeld hatte den Schuß gehört und drehte sich um.

„Hat’s Havarie gegeben, Wetter?“ rief er.

„Nein,“ antwortete ich, „danke für die Nachfrage.“

Noch war das Wort nicht heraus, da pfiff eine zweite Kugel an meinem backbordschen Ohr vorbei, der Abwechslung wegen, und ein paar Minuten später folgte ein richtiges Schnellfeuer aus sechs Pistolen, wobei eine Kugel meine rechte Schläfe streifte, so daß das Blut zu fließen begann.

„Das scheint da ja heiß herzugehen!“ rief der Leutnant, „aber wenn Sie noch aushalten können bis wir um die Huk da herum sind, dann komme ich und löse Sie ab.“

„Ist nicht nötig!“ rief ich zurück. „Viel wichtiger ist’s, daß Sie dort bleiben und mir sagen, wie ich steuern soll.“

Als wir die Huk passiert hatten, kamen wir in breiteres Fahrwasser und kriegten die ganze Brise, so daß der Schoner bald volle sechs Knoten Fahrt lief. Aber die Segel, in der Eiie gesetzt, standen

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/118&oldid=- (Version vom 31.7.2018)