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und wenn auch nicht die schwarzrotgoldene Flagge, so doch die schwarzweißrote des einigen und mächtigen Deutschen Reiches sich auf dem Ozean entfalten und sich die Achtung der Welt erringen zu sehen.

Dem Herrn, dem er mich empfohlen, gelang es sehr bald, mir an Bord eines kurz zuvor vom Stapel gelaufenen Kriegsschiffes eine Stellung als Midshipman zu verschaffen. Dieses Schiff war eine Korvette von 28 Kanonen – langen Achtzehnpfündern – und für den Dienst im Präventivgeschwader bestimmt. Sie war im Verhältnisse zu ihrer Breite sehr lang, von feinen und anmutigen Formen und lag tief im Wasser. Reiches Schnitzwerk umgab die Kajütenfenster in dem schön geformten Heck, und der weit ausladende Vordersteven war mit einem in vergoldeter Holzbildhauerei künstlerisch ausgeführten springenden Wolf geziert nach dem die Korvette auch ihren Namen führte.

Täglich wanderte ich zum Dock, in dem das schöne Schiff, das mein künftiges Heim werden sollte, an seiner Werft lag. Ich konnte mich nicht an dem stolzen Bauwerk und seinen wundervollen Formen sattsehen. Vom Takelwerk standen bis jetzt nur die Untermasten mit den Marsstengen; die Bramstengen befanden sich noch an Deck. Die Unter- und Marsrahen waren bereits aufgebracht. Bei näherer Musterung drängte sich mir der Gedanke auf, daß diese Rundhölzer – die Masten, Stengen und Rahen – eigentlich unverhältnismäßig groß und schwer für die Korvette seien; sie hätten für ein Fahrzeug von doppelter Größe ausgereicht. Ich war bereits lange genug zur See gefahren, um dafür ein Auge und Verständnis zu haben.

Als später auch die Bramstengen an ihrem Platze waren, da verstärkte sich bei mir noch der Eindruck, daß die Takelung zu wuchtig für das Unterschiff sei, eine Ansicht, die auch von andern geteilt wurde.

Um die Mittagszeit pflegten die meisten der mit den Arbeiten an Bord beschäftigten Schauerleute nach Hause zu gehen, einige wenige blieben auf der Werft und verzehrten auf Kisten oder Fässern sitzend, die mitgebrachten Vorräte.

Ich hatte mich eines Tages wieder einmal eingefunden, um den

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)