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herausgefunden, daß man vom Vorderende des Scheileits meinen Kopf sehen konnte, und es währte nicht lange, da flogen mir von dorther die Kugeln um die Ohren. Als Langfeld bei mir erschien, hatte ich bereits zwei neue Streifschüsse erhalten.

„Die Pest über die Schurken!“ rief er. „Das muß aufhören! Wie steht’s mit Ihrer Schulter? Können Sie den rechten Arm bewegen?“

Ich mußte dies verneinen.

„Hm,“ sagte er. „Wieviel Kerle mögen da unten stecken?“

„Das kann ich nicht sagen. Bisher habe ich nur drei Stimmen unterscheiden können.“

„Drei – der Schiffer und zwei Steuerleute – wird schon richtig sein.“

Er dachte ein Weilchen nach, lief hastig nach vorn und kam sogleich mit einem schweren Kuhfuß[* 1] wieder zurück. In aller Ruhe nahm er einen Lukendeckel nach dem andern von der Tür wieder fort.

„Ich will runter und das Gesindel still machen,“ sagte er dabei. „Tu ich das nicht, dann ist gar nicht abzusehen, was für Unheil es noch anrichtet, ehe wir die „Josefa“ unter die Kanonen des „Wolf“ gebracht haben. Wählen Sie schnell einen Stern, nach welchem Sie steuern, ehe ich den Rest des Bollwerks wegnehme, dann hocken Sie nieder, soweit als möglich nach einer Seite; ich ziehe das Feuer der Hunde auf mich und falle dann über sie her.“

Während er redete, hatte er seinen Rock ausgezogen und über den Kuhfuß gehängt, den er nun zur Seite legte, um das Plankenstück zu entfernen, mit dem wir die Tür festgekeilt hatten. Dann nahm er den Kuhfuß mit dem Rock wieder auf, hielt ihn so, daß man ihn von der Kampanjetreppe aus in der Dunkelheit für einen dort stehenden Mann halten konnte, stieß den Deckel zurück und riß die Tür auf.

  1. Eiserne Brechstange, oben zugespitzt, unten mit umgebogener glatter gespaltener Klaue.
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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/122&oldid=- (Version vom 31.7.2018)