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Der Skipper warf einen fragenden Blick auf Langfeld.

„Die „Black Queen“, ohne Zweifel,“ antwortete dieser sogleich. „Die hat uns mit der „Josefa“ davon eilen sehen und hält es nun für geraten, sich zu drücken.“

„Das soll ihr nicht gelingen!“ rief Kapitän Vernon und befahl, sofort alle Mann an Deck zu pfeifen. Die Sitzung in der Kajüte war aufgehoben. Der Doktor ging mit Langfeld nach dessen Kammer und ich war froh, meine Hängematte aufsuchen zu können, die ich mit Hilfe eines Matrosen mühsam erkletterte.

Der „Wolf“ ging Anker auf und setzte alle Segel; kaum hatte die Brigg dies bemerkt, da braßte sie vierkant, brachte alle Leesegel auf und lief mit Backstagswind auf westlichem Kurse davon. Der „Wolf“ machte sich auf die Verfolgung und fing bald an zu rollen wie ein leeres Faß, woraus ich erkannte, wie schnell er sich vom Lande entfernt und die offene See erreicht hatte, die von dem Sturm der Nacht noch aufgewühlt war und hochging.

Am nächsten Morgen hatte die See sich etwas gelegt und das Schiff war nicht mehr so rank; ich wollte an Deck gehen, aber der Doktor gab dies nicht zu. Allerdings war meine Wunde auch sehr entzündet und schmerzte mich heftig. Wie ich hörte, war die Brigg etwa neun Seemeilen gerade voraus in Sicht, und wenn die Entfernung zwischen ihr und uns auch nicht zunahm, so hatten wir doch vor der Hand wenig Aussicht, ihr aufzulaufen.

Fünf Tage lang blieb die Jagd auf ziemlich demselben Standpunkt. Die Entfernung zwischen den Fahrzeugen veränderte sich je nach dem Wetter; bei steifer Brise befand sich die Brigg etwas im Vorteil, bei mäßigem Wind kam die Korvette schneller vorwärts. Der achterliche Wind war uns auch nicht günstig, weil der „Wolf“ seine Schnelligkeit am besten bei halbem Winde entwickeln konnte.

Am fünften Tage gestattete mir der Doktor, an Deck eine Stunde Luft zu schöpfen. Ich kam gerade noch zur rechten Zeit, einen letzten Blick auf die fliehende Brigg werfen zu können, die uns sechs Seemeilen

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/130&oldid=- (Version vom 31.7.2018)