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zu dürfen, was ihm von dem ersten „Luff“ mit größter Liebenswürdigkeit gewährt wurde.

Der Verdacht, den meine Reden in dessen Busen erweckt hatten, verschwand unter dem wirklich beinahe bestrickenden Wesen des Franzosen wie Schnee unter der Sonne. Auch ich selber wurde dadurch beinahe irregemacht, dennoch aber hatte der Mann etwas an sich, was ich mir nicht erklären konnte, mich aber mit aller Gewalt von ihm abstieß. Ich beobachtete ihn daher wie die Katze eine Maus, ohne jedoch etwas Verdächtiges entdecken zu können.

Austin führte ihn selber durch das ganze Schiff und zeigte ihm alles, was er zu sehen wünschte. Ehe er sich verabschiedete, erwähnte er noch, daß der Kapitän des „Vampyr“, Monsieur Dubois, krank in seiner Koje läge, und bat dann um die Ehre, die dienstfreien Offiziere der Korvette heut abend an Bord der Brigg bewirten zu dürfen. Diese Einladung mußte mit Bedauern im Interesse des Dienstes abgelehnt werden, Mr. Austin allein sagte für seine Person zu.

Wir waren während des ganzen Tages mit Bordarbeit sehr beschäftigt, und so war es schon beinahe Abend, als er Gelegenheit fand, mit mir einige Worte über den Besuch zu wechseln.

Well, Wetter,“ sagte er, „wie denken Sie jetzt über unsern Freund Monsieur Guerlin, nachdem Sie Gelegenheit hatten, seine genauere Bekanntschaft zu machen?“

Well, sir,“ erwiderte ich, ich gebe zu, es mag eine ganz entfernte Möglichkeit bestehen, daß meine Ansicht über ihn und über die Brigg nicht zutreffend gewesen ist, jedoch –“

„Jedoch beruhigt sind Sie noch nicht,“ unterbrach er mich. „Aber was in aller Welt kann Ihnen an dem armen Kerl heut verdächtig erschienen sein?“

„Nichts,“ mußte ich bekennen. „Er gab sich ganz anders als bei seinem ersten Besuch auf dem „Wolf“. Aber war’s nicht seltsam, daß er sich heut in solcher Hurry bei uns einstellte? Zuerst meinte ich, daß er dadurch einen Besuch unsrerseits an Bord seiner Brigg verhindern wollte.

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/137&oldid=- (Version vom 31.7.2018)