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Dagegen spricht ja nun freilich seine Einladung. Aber die Verzögerung mag ihm Zeit und Gelegenheit verschafft haben, Vorkehrungen für unsern Empfang zu treffen und allerlei beiseite zu schaffen, was –“

„Was seinen und der Brigg wahren Charakter zu verraten geeignet wäre, wollen Sie sagen,“ lachte der erste „Luff“. „Ich meine, Sie haben sich in Ihren Argwohn verrannt und quälen sich unnötig. Wenn ich von dem „Vampyr“ wieder zurückkomme, reden wir mehr darüber. Jetzt muß ich mich für den Besuch bei den Franzosen fein machen.“

Damit ging er unter Deck.

Nach einer Viertelstunde erschien er wieder, sauber rasiert, in seiner besten Uniform, ein schöner, stattlicher Seemann, an dem das Auge mit Wohlgefallen hing.

Die Gig wurde gepfiffen, er ging über das Fallreep, nickte mir noch einmal zu und dann entführte ihn das Boot, dem ich nachblickte, bis es auf der Steuerbordseite der Brigg anlegte. –

Die Nacht war herniedergesunken, Ruhe herrschte im Schiff, die einzigen Laute, die die Stille unterbrachen, waren die Seufzer der Brise im Takelwerk, das Rauschen in den Baumwipfeln und das eintönige „Schirr, Schirr, Schirr“ der Insekten in der Sumpfvegetation.

Es mochte halb zehn Uhr sein, ich dachte eben daran, meine Hängematte aufzusuchen, da war es mir, als vernähme ich ein verworrenes Getümmel, einen erstickten Schrei, der wie ein Hilferuf klang, einen dumpfen Fall, wie wenn ein Mann niedergeworfen wird, und dann einen Plumps ins Wasser. Diese Geräusche kamen aus der Richtung, wo die Brigg liegen mußte, die jedoch schon längst nicht mehr zu sehen war, da der Nachtnebel bereits dick auf dem Flusse lag.

Meine Schläfrigkeit war sogleich verschwunden, alle meine Sinne schärften sich auf’s äußerste, und ich lauschte gespannt auf weiteres. Vergebens, alles war wieder still. Mein alter Verdacht erhob sich stärker als je zuvor. Plötzlich fiel mir ein, daß ich während meiner Landwanderungen oft bemerkt hatte, wie niedrig die Schicht des Nachtnebels auf dem Wasser lag, und ich sagte mir, daß ich vielleicht von

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/138&oldid=- (Version vom 31.7.2018)