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bald gewannen wir die Überzeugung, daß wir nun endlich den echten „Vampyr“ vor uns hatten.

Und darin täuschten wir uns nicht. Auf Kapitän Vernons Befehl begab Leutnant Collins sich an Bord der Brigg, und als der ihrem Kommandaten erzählte, wie es der „Virginia“ gelungen war, sich uns gegenüber als die französische Kriegsbrigg „Vampyr“ aufzuspielen, da fühlte sich dieser tatsächlich bewogen, seine Papiere vorzuzeigen, um zu beweisen, daß er nicht ebenfalls ein gefälschter französischer Marineoffizier sei.

Im Laufe dieses ereignisreichen Tages ward uns noch eine andre interessante Kunde. Als wir der „Virginia“ zum zweitenmal begegneten und diese so geschickt die Verfolgung der „Black Queen“ markierte, da war sie mit dreihundert Sklaven an Bord auf der Fahrt nach Havana. Einer der Gefangenen hatte dies einem unsrer Leute mitgeteilt.

Um vier Uhr nachmittags trat die Mannschaft in ihrer besten Uniform an Deck zur Musterung an. Der Leichnam Mr. Austins war eingesargt worden. Man brachte die Boote zu Wasser und schaffte den mit einer Flagge bedeckten Sarg in die Barkasse. Als die Prozession im Begriff war, sich auf die Fahrt zu machen, da kamen vom „Vampyr“ zwei Boote mit den Offizieren der Brigg, die von der Ermordung unsers ersten Leutnants Kenntnis erhalten hatten und sich nun dem Leichenbegängnis anschlossen. In ihren Booten, wie in den unsern, hingen die Flaggen halbmast an den Flaggenstöcken und schleppten lang im Wasser nach. Die Barkasse war von dem ersten und zweiten Kutter ins Schlepptau genommen, Perkins, der alte Master, führte sie den Creek hinauf, Kapitän Vernon und vier Offiziere folgten in den beiden Gigs.

Sobald wir von der Schiffsseite klargekommen waren, begann die Korvette Minutenschüsse abzugeben, die von der französischen Brigg erwidert wurden. So zogen wir langsam und feierlich den Creek aufwärts, die Schüsse wurden so lange abgefeuert, als die Boote in Sicht der Korvette waren.

Nach einer Fahrt von ungefähr zwei Seemeilen landeten wir an einer Lichtung, die der Skipper selber am Vormittag als Begräbnisstätte

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/150&oldid=- (Version vom 31.7.2018)